Rheinpfalz Trotz Übung unter Druck

Aus der Reihe „Fotos, die man nie im Ernstfall sehen möchte“: Sanitäter versorgen bei der Übung Verletzte im Innern der Stadion-
Aus der Reihe »Fotos, die man nie im Ernstfall sehen möchte«: Sanitäter versorgen bei der Übung Verletzte im Innern der Stadion-Südtribüne.

Beklemmend startet die Katastrophenschutz-Übung im Fritz-Walter-Stadion in Kaiserslautern: Nach einer lauten Explosion in der Südtribüne hallen Schreie durch die Gänge. Gänsehaut. Mehr als 350 Einsatzkräfte haben am Samstag für den Ernstfall geprobt – fast bis hin zur Notoperation im Westpfalz-Klinikum.

Samstagmorgen, kurz vor 9 Uhr im Eingangsbereich der Südtribüne. „Besser jetzt die Ohrenstöpsel rein“, warnen die beiden Feuerwehrleute, die der RHEINPFALZ während der Übung zur Seite stehen: Matthias Schmitt und Joachim Nagel sind „Pumas“ – Mitglieder der Facheinheit Presse- und Medienarbeit bei der Feuerwehr in Kaiserslautern. Schmitt erklärt: „Wir gehen bei der Übung von einer Explosion am Imbissstand in der Südtribüne aus.“ Als realistischen Startschuss gibt’s kurz darauf einen heftigen Knall samt Feuerball. Die Anwesenden, Ordner, blutig geschminkte Statisten, Beobachter und Pressevertreter, zucken zusammen – trotz Ohrstöpsel. Schreie werden über Boxen in Dauerschleife eingespielt. Menschen irren umher. Via Durchsagen ruft der Stadionsprecher dazu auf, Ruhe zu bewahren und die Südtribüne über den Platz zu verlassen. Bei den lauten Schreien allerdings kaum zu verstehen – auch ohne Ohrstöpsel nicht. Kurze Zeit später haben die Polizeibeamten den Explosionsort abgesperrt, vorm Stadion rüsten sich hinzugerufene Kollegen mit schwerer Schutzkleidung aus. Polizeisprecher Michael Hummel erläutert: „Wir gehen zunächst vom Schlimmsten aus.“ Einem Anschlag. Also muss die Polizei zunächst klären, ob der Ort sicher ist. Die Ermittlungen der Beamten zeigen schnell: Es besteht keine Gefahr mehr für die Rettungskräfte, die Schutzhelme und schweren Westen werden abgenommen. Im Ernstfall könnten die Beamten jetzt beim geordneten Räumen des Stadions helfen oder die Rettungswege für die Rettungsdienste freihalten, sagt Hummel. Eine quälend lange Viertelstunde liegt zwischen Explosion und dem Eintreffen der Rettungswagen. Dazugekommene Notärzte sichten die Verwundungen. „Puma“ Nagel erklärt, was es mit den Karten auf sich hat, die jeder Patient bekommt: „Auf den Sichtungskarten werden, so gut es geht, die Personalien vermerkt und die Ärzte sortieren nach Verletzungen vor.“ Mittlerweile sind etliche Rettungsdienstfahrzeuge vorgefahren, innerhalb von Minuten geht’s für die ersten Opfer mit Blaulicht Richtung Westpfalz-Klinikum. Die Liegendtransporte kommen vor der Notaufnahme an und werden noch im Flur von Teams des Klinikums zur weiteren Versorgung übernommen. Unterdessen treffen am Haupteingang scharenweise Menschen ein, die verletzt, aber gehfähig sind – oder schlicht ihre Angehörigen suchen. Das Foyer wird zu einer großen Aufnahme: Die ankommenden Patienten werden ebenfalls gesichtet – für Schwerverletzte geht’s mit der Trage in die Notaufnahme, mit kleineren Wunden in einen Wartebereich. Krankenhauspersonal wuselt umher und so mancher Angehörige stellt die Geduld des Personals auf eine harte Probe: „Wo is’ mei Tochter? Ich mach’ hier glei wie’s Messer.“ Der Arzt bleibt erstaunlich ruhig, versucht zu helfen. „Die Selbsteinweiser, die weder von Ärzten noch von Pflegekräften gesehen wurden, treffen uns an einem wunden Punkt“, sagt Michael Metzger von der Stabsstelle Brand- und Katastrophenschutz im Westpfalz-Klinikum: Man wisse nämlich weder wie viele, noch wie verletzt die Selbsteinweiser ins Krankenhaus kommen. Da müsse flexibel reagiert werden. Dass es trotz so vieler Verletzte im Krankenhaus-Foyer sehr gesittet abgeht, überrascht auch Schmitt und Nagel. Die erfahrenen Feuerwehrmänner haben Respekt. Wird das Szenario nicht ernst genug genommen? Assistenzarzt Thomas Mitschke: „Die Übungssituation setzt uns schon richtig unter Druck. Durch die vielen Statisten werden die Leute ja schon nervös gemacht.“ Im Trubel der Übung blende man aus, dass eigentlich alles gestellt ist. So geht auch der einberufene Stab aus den verschiedensten Abteilungen im Hörsaal des Klinikums ernsthaft mit der Situation um. Dort laufen die Fäden zusammen, von dort würden im Ernstfall beispielsweise Aufrufe zum Blutspenden an die Presse gehen oder andere Krankenhäuser informiert, dass weitere Patienten kommen, schildert Nagel. Auch hier geht’s sehr ruhig, sehr konzentriert zu. Kein Durcheinander-Gerede. Ein noch ruhigeres Plätzchen hat sich Martin Gugel von der Feuerwehr Kaiserslautern gesucht – er sitzt kurz vor Ende der Übung in der Sonne, witzelt mit „Puma“ Schmitt. Dann wird Gugel ernst: „Natürlich gibt es noch einen Termin danach! Es wäre fatal, nicht noch einmal über die Übung zu sprechen. Aus den Fehlern lernt man schließlich.“ Info Ein Video und eine Bilderstrecke zur Großübung sind im Internet unter www.rheinpfalz.de/kaiserslautern zu finden .

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