Rheinpfalz Saufen ohne Konzept

«Neustadt.» „Saufen für den Führer“ nannte der Volksmund jene groß angelegte Weinwerbeaktion, mit der es den Nationalsozialisten gelang, den Weinkonsum zu steigern.

Christof Krieger, Historiker und Museumsleiter in Traben-Trarbach an der Mosel, stellte diese griffige Formel an den Anfang eines Vortrags über die Weinpatenschaften in der Zeit von 1935 bis 1937. Krieger ist in Neustadt kein Unbekannter, er war bereits zum dritten Mal als Referent zu Gast. Wobei seine Thesen nicht nur mit Interesse aufgenommen werden, sondern teilweise auch auf Abwehr stoßen. Denn Krieger rüttelt an gängigen Thesen, die noch heute eine Rolle spielen. Zum Beispiel die, dass die pfälzische Weinkönigin in den 1930er-Jahren als „Deutsche Weinkönigin“ bezeichnet wurde, weil es die einzige im Deutschen Reich gewesen sei. „Das stimmt nicht“, sagt Krieger – und zeigt ein Foto vom reichsweiten „Fest der deutschen Traube und des deutschen Weins“ 1935 aus Berlin – mit einer Weinkönigin von der Mosel. Über dieses Fest sei allerdings in der Pfalz ohnehin kaum berichtet worden. Denn in Berlin „dominierten die Moselaner“, sagt Krieger. Insgesamt hätten sie bei den „Weinpatenschaften“ deutscher Städte mit einzelnen Winzerorten die Nase vorne gehabt und den weitaus größten Anteil an sich gezogen. Von 12.000 „Fudern“ (1000 Liter) Wein, die über die Weinpatenschaften abgesetzt wurden, stammten laut Krieger 7000 aus dem Anbaugebiet Mosel, das deutlich kleiner war (und ist) als die Pfalz. All das stieß bei dem pfälzischen Gauleiter Joseph Bürckel auf wenig Begeisterung. Bürckel habe dann aber mit einem „Überraschungscoup“ seine eigene Antwort auf die Absatzkrise in der Weinbranche gegeben: mit der Gründung der „Deutschen Weinstraße“. „Das war ein bewusster Affront Bürckels gegen den Moselland-Gauleiter Gustav Simon“, so Krieger. Und damit keineswegs eine Idee, die nur zufällig während der Nazi-Diktatur geboren wurde. Insgesamt habe der Weinpolitik der Nazis keineswegs ein Konzept zugrunde gelegen, erklärt der Historiker. „Das war eine Verkettung von Zufällen.“ Die Versprechungen aus der Zeit vor 1933 seien allesamt gebrochen worden. So sei weder der Wein-Import gestoppt noch die Gemeindegetränkesteuer aufgehoben worden. Die These, dass die NSDAP mit einem Programm die Branche gestützt habe, beruhe auf der Propaganda und sei in der Forschung meist nicht hinterfragt worden.

x