Rheinpfalz Rheinland-Pfälzer erfindet revolutionären Duschabfluss

Manus Leyendecker am heimischen Küchentisch bei der Produktentwicklung. Am 19. August wird er seine Erfindung beim „Start Up Sum

In Kaiserslautern hatte Manus Leyendecker noch Biologie und Politikwissenschaft studiert, doch nun steht die Serienproduktion seiner Erfindung fürs Bad in den Startlöchern: Mit dem haarfreien Duschabfluss „Freilauf“ will der Tüftler den Sanitärmarkt aufmischen. Häuslebauer sollen ab Frühjahr 2018 ihre Dusche so ausstatten können, dass schmoddrig-glibbrige Haare beim Putzen passé sind. Ein Besuch in Piesport an der Mosel in Leyendeckers Entwicklungsschmiede – und in der Küche.

Dank langer Haare und WG-Putzdienst war für Manus Leyendecker schon zu seiner Studienzeit in Kaiserslautern klar: Es muss doch eine Lösung geben, um nicht Woche für Woche diese eklige, glibbrige Haarmasse aus dem Duschabfluss zu ziehen. Nun steht der 39-Jährige kurz davor, mit seiner Erfindung, dem haarfreien Duschabfluss „Freilauf“, in Serienproduktion zu gehen. Den Unterschied macht ein Magnet. „Die Menschen wollen kein Loch in der Dusche. Und ein schwebender Deckel geht ja nicht“, erklärt Manus Leyendecker das Problem, ein Produkt erfinden zu müssen, das herkömmlich anmutet, aber ganz anders funktioniert. Die beste Alternative zum Schweben: ein magnetischer Schnappmechanismus. Das Grundprinzip, einen Stempel mit Abdeckung des Duschabflusses durch einen Magneten halten zu lassen, hat er dann im Jahr 2010 patentieren lassen. Die endgültige Ausgestaltung, wie sie nun in Produktion gehen soll, hat seit diesem Winter einen Patentstempel.

Patentrezept mit Magnet

Und das funktioniert so: Der Stempel am Duschabflussdeckel wird per Magnet in seiner aufrechten Stellung gehalten. Die Haare können frei darum herum fließen und nur ganz wenige verfangen sich noch. Mit einem Tritt auf den Deckel wird der Stempel aus seiner Stellung gelöst und auch die letzten Fusseln werden weggespült. Doch verstopfen die Haare dann nicht den Siphon? „Nein. Es verfangen sich sowieso auch bei den herkömmlichen Abflüssen nur ein geringer Teil der Haare im Sieb oder am Deckel. Und mein bestes Argument: Die meisten Menschen werfen den Schmodder sowieso in die Toilette, nach wenigen Metern vereint sich das also eh wieder im Rohr.“

Küchenwerkstatt-Büro

Noch befinden sich Entwicklerwerkstatt und Büro in der heimischen Küche im idyllischen Moseldorf Piesport. Eine Duschwanne lagert auf dem Frühstückstresen, daneben Laptop, Flyer, Taschenrechner, Kleber, Schere – und ein wie ein Raumschiff aussehendes, strömungsoptimiertes Siphonmodell. Während er erklärt, springt Manus Leyendecker immer wieder auf, läuft ins Wohnzimmer, holt eine weitere Schachtel vom Stapel am Kaminofen, packt verschiedene Prototypen aus, um seine persönliche sowie die Entwicklung der Erfindung zu verdeutlichen. „Ohne 3-D-Druck wäre das alles gar nicht möglich gewesen. Nur dadurch konnte ich die verschiedenen Modelle so fertigen lassen.“ Bisher habe er keine großen Rechnungen produziert, die Produktentwicklung eher als Hobby angesehen. Ohne die Unterstützung von Freunden und Menschen, die er von seiner Idee überzeugen konnte, wäre sie wohl auch im Sande verlaufen. „Was ich mache, ist klassisches Projektmanagement.“ Die technische Entwicklung, die Produktion, betriebswirtschaftliche und Marketingaspekte, alles läuft bei ihm zusammen, alles hat er sich selbst angeeignet. „Ich habe fast alle Arbeitsschritte outgesourct, muss sie nur kontrollieren.“ Was er dabei alles gelernt hat, bringt der Biologie- und Sozialkundelehrer auch seinen Schülern bei. An der École Sainte-Sophie in Luxemburg, einer katholischen Privatschule, unterrichtet er inzwischen nicht nur Science und Biology Social, sondern auch das Fach Techno, in dem die Schüler des Lycée Technique etwas über Produktentwicklung und -vermarktung lernen sollen. Zu Hause zeichnet er, modelliert mit Knete, bastelt Modelle aus Pappe – und lässt einen CAD-Zeichner sein Produkt digital erstellen. Auch Produkttests anderer Anbieter gehören zu Leyendeckers Annäherung an sein Endprodukt, helfen ihm bei Entscheidungen bezüglich Form, Schweißnaht oder Material. Auch sein Badezimmer hat er schon unter Wasser gesetzt, als er die Duschwanne aus der Küche auf die Badewanne setzte. „Den maximalen Durchlauf kriegt man eben nur raus, wenn es überläuft.“

„Viele Frauen denken unter der Duschen an mich“

Parallel zur Produktentwicklung läuft die Marktforschung: fünf Konkurrenzprodukte im konventionellen, traditionsreichen Markt. Den will er mit der richtigen Vermarktung knacken. Auch da arbeitet er mit einer Kombination aus eigenen Ideen und professionellem Know-how. Auf Internetseite und Freilauf-Flyern geben Grafiken einen Eindruck der Funktionsweise. Der Kunde müsse schließlich schnell erkennen, was das Produkt kann. „Das ist ein didaktisches Problem, das muss ich als Lehrer lösen können“, meint er grinsend. Rüberzubringen, was das Ganze eigentlich soll, das kann er. Bewiesen hat er das etwa bei einem Start-up-Slam, bei dem es darum geht, seine Idee möglichst witzig und fesselnd zu präsentieren. Einer seiner Gags dabei: „Viele Frauen denken unter der Duschen an mich ...“ Auch durch Kontakte und Präsentationen bei Start-up-Weekends konnte er sich eine Förderung der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz sichern. Schließlich sei Freilauf anders als die meisten Start-ups. „Es ist weder eine App noch Hundefutter noch eine Dienstleistung. Es ist ein Plastikprodukt, das auf Masse hergestellt werden kann.“

Regional und Übersee

10.000 Stück sollen erst mal produziert werden, die ab Februar 2018 im Laden liegen sollen. Die Produktionswerkzeuge kommen aus China. Sie machen den größten Batzen der Investition aus. Dann kommen für die Herstellung Betriebe aus der Region ins Boot: GS Kunststofftechnik in Idar-Oberstein wird die Spritzgussteile fertigen, die von einer Spezialfirma verschweißt werden. In den Sozialwerkstätten des Roten Kreuzes in Bernkastel-Kues werden die Magnete in die Stempel eingesetzt, den Vertrieb übernimmt der Sanitärhandel Leysser, ebenfalls in Idar-Oberstein. Manus Leyendecker will bei der Fertigung seines Produktes auch selbst Hand anlegen. Mit einer Maschine wird er per Ultraschallschweißtechnik den Deckel auf den Stempel schweißen. „Ich will auch eine Fabrik haben, in der was produziert wird“, sagt Leyendecker lachend und mit Blick auf das, was in den nächsten Monaten noch kommen soll. Was er sonst noch in den vergangenen Jahren bei Produktentwicklung und Projektmanagement gelernt hat: „Man muss daran glauben, aber darf nicht in Euphorie verfallen.“ Doch Manus Leyendecker ist überzeugt: „Mein Produkt ist so viel anders und besser. Der Kunde wird es zu schätzen wissen. Ich habe keine Angst, es nicht zu verkaufen. Die Frage ist nur, wie schnell.“ Die nächste Entwicklung hat er schon im Blick: einen Waschbeckenabfluss. Da ist der Markt größer, weil er einfacher nachrüstbar ist. Denn wer lässt schon seine Dusche umbauen wegen eines neuen Abflusses? Glibbrige Haare absammeln, bis eine Renovierung ansteht, ist also angesagt.

Manus Leyendecker in der Firma, die seine Spritzgussteile herstellt. In Kaiserslautern hatte er Biologie und Politikwissenschaft
Manus Leyendecker in der Firma, die seine Spritzgussteile herstellt. In Kaiserslautern hatte er Biologie und Politikwissenschaft auf Realschullehramt studiert.
Einzelne Haare, die sich festsetzen, werden mit einem Fußtritt ins Rohr gespült.
Einzelne Haare, die sich festsetzen, werden mit einem Fußtritt ins Rohr gespült.
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