Rheinpfalz Mit Schirm, Schal und einer Meinung

Mannheim

. Gela Böhne kann sich noch an ihre erste Friedensdemonstration erinnern. „Am 10. Oktober 1981 in Bonn auf der Hofgartenwiese“, sagt die 79-Jährige. Und seit 1983 nehme sie regelmäßig an Kundgebungen gegen Krieg und Missstände teil. Am Karsamstag steht die Heidelbergerin mitten auf dem Mannheimer Paradeplatz. Bereit für eine weitere Friedenskundgebung und den Ostermarsch, der traditionell in mehreren Städten auf dem Programm steht. Es regnet, es ist grau. Gela Böhne ist durchnässt, die Tropfen fallen von ihrem Fahrradhelm auf den Boden. Die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) und das Friedensplenum haben zu der Veranstaltung in Mannheim eingeladen. Sie rechneten im Vorfeld mit 200 Teilnehmern. Laut Schätzungen der Polizei sind rund 100 Menschen zur Kundgebung auf den Paradeplatz gekommen. Später werden die Friedensaktivisten von dort durch die Innenstadt ziehen und sich schließlich mit einem Fahrrad-Korso auf den Weg zu den Coleman-Kasernen im Norden Mannheims machen, wo eine weitere Kundgebung geplant ist. Gela Böhne ist eine von wenigen, die das Fahrrad tatsächlich mit dabei haben. Und die Seniorin ist – „wenn ich bis dahin nicht erfroren bin“, wie sie scherzhaft sagt – fest entschlossen, den langen Weg durch den Regen nach Sandhofen auf sich zu nehmen. Doch bis dahin steht ihr noch rund eine Stunde Kundgebung bevor. Genau wie Dinara Daniel, die ebenfalls aus Heidelberg nach Mannheim gekommen ist. Sie hält ein Schild in die Höhe mit der Aufschrift „North-Atlantic Terror Organization“. Neben der Schrift das Symbol der Nato und eine amerikanische Fahne, deren Sternchen als kleine Bomben gen Erde fallen. In der anderen Hand hat sie einen Schirm. „Der Regen ist keine Gefahr“, sagt sie und lacht. Dann wird sie schlagartig ernst. Was allerdings in der Welt passiere, schon. Sie sei nicht gegen Amerikaner, versichert Dinara Daniel, die sich in der Heidelberger Mahnwache engagiert. Doch sie findet, dass das Land sich zu sehr einmischt. Die Nato sei ebenfalls keine Verteidigungsorganisation mehr, sondern agiere aggressiv. Damit greift sie Themen auf, die auch die Redner der Kundgebung anprangern. Ob die Signale der Teilnehmer bei der Politik ankommen, wisse sie nicht. „Ich folge meinem Ruf. Wenn ich eine Meinung habe, will ich sie sagen dürfen“, erklärt die Heidelbergerin warum sie in Kälte und Regen ausharrt. Einer der Redner ist Markus Pflüger, ein Friedensaktivist vom DFG-VK Trier. Er prangert unter anderem die „Aufrüstung“ in Rheinland-Pfalz an, spricht von 2500 zusätzlichen US-Soldaten, die samt Kriegsgerät dort stationiert werden sollen. Und er fragt sich: „Was soll diese Militäraufstockung? Was sollen die neuen Kampfflugzeuge, die im Februar nach Rheinland-Pfalz verlegt wurden?“ Pflüger sieht sich nicht als Putin-Befürworter. Doch er spricht sich gegen Manöver der Nato in Russland-Nähe und – auf Mannheim bezogen – gegen die weitere militärische Nutzung der Coleman-Kaserne aus. „Mannheim darf nicht zur Drehscheibe für kommende Kriege werden“, sagt er. Seine grundsätzlichen Forderungen: Verhandlungen statt Krieg und ein umfassender Abrüstungsprozess. Ähnliches verkündet auch Gökay Akbulut vom Friedensplenum Mannheim. Sie verurteilt die ihrer Meinung nach aggressive deutsche Außenpolitik und vor allem die deutschen Waffenexporte. „Jede Waffe aus Deutschland tötet einen anderen Menschen in der Welt“, sagt sie. Die Kurdin geht auch auf die Gewalt in Syrien ein und mahnt an, dass kriegerische Interventionen und Aufrüstung keinen Frieden in dieser Region bringen würden. Gerhard Fontagnier vom neu gegründeten Verein „Mannheim sagt Ja!“ blickt in seiner Ansprache nach Ludwigshafen, wo er „Hetze und Hass“ finde. „Die unsägliche Flüchtlingspolitik der Stadt Ludwigshafen befördert derzeit den Mob“, so Fontagnier. Dort hetze bereits massiv die NPD und deren Mannheimer Stadtrat Christian Hehl, sagt er. Die Stadt solle auf die Menschen setzen, die Flüchtlinge willkommen heißen und sich engagieren. Mit Bektas Cezik von der Marktplatz-Moschee in Mannheim endet die Kundgebung auf dem Paradeplatz. Er macht deutlich, dass die Muslime, so wie es auch der Koran verlange, Krieg und Gewalt verurteilen. „Wir sind für Frieden. Wir wollen keinen Krieg. Das muss unser gemeinsames Motto sein.“ Rund 30 Teilnehmer machen sich nach der Kundgebung auf zum Ostermarsch durch die Innenstadt und Richtung Coleman Barracks, wo noch einmal für eine friedliche Nutzung des Geländes demonstriert wird. Wie angekündigt, ist Gela Böhne weiter mit dabei.

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