Rheinpfalz Lesen und Fußball

Mannheim. Rund 60 Kinder aus der Metropolregion machen in dieser Woche Bekanntschaft mit Julian, Leon und Kim und der Katze Kija. „Die Zeitdetektive“ der Jugendbuchserie katapultieren die zehn- bis zwölfjährigen Nachwuchskicker der Fußballzentren des Vereins „Anpfiff ins Leben“ rund 60 Jahre in die Vergangenheit und direkt zum „Wunder von Bern“.

„Kick & Read“ – Fußball und Lesen - heißt das Osterferienprojekt nun schon im fünften Jahr. „Wir kommen hier auf eine sehr spielerische Art dem Buch auf die Spur“, erklärte Anpfiff-Sprecherin Evelyn Astor-Hauck. Am Ausgangspunkt dafür hätten auch die literarischen Zeitdetektive selbst landen können: Am Alsenweg, Heimstätte des SV Waldhof Mannheim und erste sportliche Heimat von Sepp Herberger, Trainer der Weltmeistermannschaft von 1954, ging es in diesem Jahr los, ehe die Kinder ab heute wieder in Kleingruppen in ihrem jeweiligen Stützpunkt betreut werden. Neben dem spielerischen Fußballtraining bis zum Gründonnerstag sollen sie auch das 153 Seiten dicke Buch gelesen haben. Wer gönnt den deutschen Fußballern den Weltmeistertitel nicht? Nicht nur die Zeitdetektive wollen das bis zum Ende der Woche herausfinden. „Ich lese gerne“, sagte Marvin gestern zum Projektauftakt auf dem Waldhofplatz. Er spielt in der D-Jugend des SV Waldhof Fußball und ist auch mit der Vereinsgeschichte vertraut: „Klar weiß ich, wer Sepp Herberger war“, so der selbstbewusste Elfjährige. Den Kindern aus Ludwigshafen, Sinsheim und Kirchheim und Walldorf brachte hingegen Waldhof-Fanbetreuer Martin Willig den späteren Weltmeistertrainer näher. Er stellte nach der ersten Sporteinheit das Buch vor. Dabei kannten die meisten Kinder da schon ihre Wegbegleiter für die kommenden Tage. „Lesejonglieren“ hieß die Übung, bei der die eingeteilten Gruppen sich nicht nur einen luftigen Wasserball zuspielen mussten. Außerdem mussten sie sich abwechselnd so lange aus dem Buch vorlesen, bis der Ball den Boden berührte. Gar nicht so leicht bei böigen Wind, aber genau das ist es, was „Kick & Read“ ausmacht: „Wir schulen sowohl motorische als auch kognitive Fähigkeiten“, erklärte Astor-Hauck. Deshalb seien die Übungen auch nicht alleine fußballerischer Art. Für ein Dribbling und den erfolgreichen Torabschluss gab es deshalb zur Belohnung jeweils einen Buchstaben. Aus der gesamten Ausbeute mussten zwei Worte gebildet werden. Zwei Stationen weiter wurde mit Fußballbegriffen „Tabu“ gespielt. Einer erklärte den gesuchten Begriff, durfte dabei aber wichtige Schlüsselworte nicht verwenden. So wie Victoria, die versuchte, den Begriff „Trainer“ zu umschreiben: „Der stellt die Spieler auf“, erklärte sie und freute sich, dass ihre Teamkollegen sofort wussten, was gemeint war. Victoria konnte nicht alle Übungen mitmachen, weil sie im Rollstuhl sitzt. Sie war mit Feuereifer dabei. „Ab morgen wird es einfacher. Da arbeiten wir nur noch in der Kleingruppe“, sagte Dorothea Müller vom Förderzentrum in Hoffenheim, die für den ersten inklusiven Ansatz des Osterprojekts verantwortlich ist. „Heute ist das mit so vielen Leuten etwas schwierig“, sagte sie und blickte sich etwas besorgt immer wieder nach den beiden Rollstuhlfahrern auf dem Fußballplatz um. Die Sorgen hätte sie sich nicht machen müssen, denn wie bei den „Zeitdetektiven“ war Fairness Trumpf. Das hätte sicher auch Sepp Herberger gefreut, der schließlich schon im Jahr 1954 wusste: „Elf Freunde müsst ihr sein.“

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