Rheinpfalz Keine systematische Computerspieleförderung in Rheinland-Pfalz

Mit Blue Byte aus Mainz und Neon M aus Ingelheim am Rhein wurden zwei rheinland-pfälzische Entwicklerstudios beim Deutschen Computerspielpreis (DCP) 2016 ausgezeichnet. Wir sprachen mit der Game-Design-Professorin und Medienwissenschaftlerin Linda Breitlauch von der Hochschule Trier über Vorurteile gegenüber Computerspielen, spielerisches Lernen und den Bedarf an Wirtschaftsförderung.

Frau Breitlauch, erst 2015 wurde der Spielspaß als Kriterium beim DCP eingeführt. Tut man sich in Deutschland etwas schwer damit, Spaß als wertvoll anzuerkennen?

Stimmt, wenn etwas besonders viel Spaß macht, dann wird das hier tatsächlich meist eher negativ gesehen. Das gilt aber leider für alle Kulturbereiche. Sie sind ja selbst Spezialistin für sogenannte Serious Games, also ernsthafte Spiele. Was hat es damit auf sich? Man könnte das mit dem Unterschied zwischen Spielfilm und Dokumentarfilm vergleichen. In Serious Games soll über den reinen Unterhaltungswert hinaus noch etwas vermittelt werden. Das kann ein therapeutischer, ein pädagogischer, ein gesellschaftskritischer oder auch einfach ein künstlerischer Ansatz sein. Ist das bei vielen anderen Spielen nicht auch so? Klar, es ist beispielsweise nachgewiesen, dass sogenannte Egoshooter die Hand-Augen-Koordination verbessern. Das würde aber da natürlich nie als Verkaufsargument auf der Verpackung stehen. Serious Games dagegen wollen gezielt etwas bewirken, und diese Wirkung muss sich dann auch wissenschaftlich nachweisen lassen. Wie kann das dann konkret aussehen? Es gibt da dieses Spiel für krebskranke Kinder. Die Spieler sind in ihrem eigenen Körper unterwegs und können, einfach gesagt, Krebszellen abschießen. Den Kindern hilft das sehr, weil sie so das Gefühl haben, selbst etwas gegen ihre Krankheit tun zu können. Müssen solche Spiele denn wirklich immer ernst sein? Natürlich nicht. Gerade durch Spielfreude wird ja der Lerneffekt gefördert. Es heißt immer, Kinder sollten zur Entwicklungsförderung viel spielen. Aber wenn dann dafür ein Bildschirm da steht, zucken auf einmal alle zusammen. Dabei geht es beim Lernen ja um Nachhaltigkeit und um die Möglichkeit, das Erlernte selbst anzuwenden. All das geht in der virtuellen Realität. Mit einem Schulbuch wird selten wirklich interaktiv gelernt – dabei weiß man inzwischen, dass stur auswendig gelerntes Wissen ohne direkte Anwendung schnell wieder verpufft. Ist diese Botschaft in der deutschen Bildungslandschaft angekommen? Man tut sich nach wie vor schwer damit. Aber immerhin, es kommt so langsam. Meist hängt es davon ab, ob einzelne Lehrer das Potenzial erkennen. In der USA gibt es beispielsweise eine Schule, in der sehr erfolgreich nur mit Spielen gelernt wird. Die noch von einigem Befremden geprägte Debatte um Gewaltspiele ist mittlerweile abgeebbt. Welche kulturelle Rolle spielen Computerspiele denn heute in unserer Gesellschaft? Die junge Generation, die mit Spielen aufgewachsen ist, weiß zum Glück, dass diese ganzen Vorurteile Quatsch waren. Die Experten wussten das übrigens schon immer. Bedenken, gerade seitens der Politik, kamen ja bezeichnenderweise immer von Leuten, die selbst nie gespielt hatten. Immerhin wurde mit der Aufnahme in den Kulturrat mittlerweile anerkannt, dass Computerspiele ein Bereich wie Film oder Musik ist, in dem Menschen kreativ arbeiten und der damit auch Kulturförderung verdient. Und wie sieht es mit dem Wirtschaftsfaktor Spiele-Industrie aus? Wir haben hier eine ziemlich paradoxe Situation. Der deutsche Absatzmarkt ist einer der größten in Europa, mit einem Umsatz von 2,7 Milliarden Euro. Darunter sind aber gerade mal sieben Prozent heimische Titel. Um das zu ändern, bräuchte man eine viel stärkere Förderung, denn viele kleinen Studios kämpfen täglich ums Überleben. Die Entwicklung eines Computerspiels ist teuer und äußerst zeitaufwendig, ähnlich wie eine Filmproduktion. Da es zu wenig Risikokapital gibt, muss man schon mal zwei Jahre lang in Vorkasse gehen, bevor überhaupt etwas reinkommen könnte. In dieser Hinsicht ist Deutschland also eher Entwicklungs- statt Entwicklerland. Spielt Rheinland-Pfalz als Standort eine Rolle? Immerhin gab es zwei Preise für Studios aus dem Bundesland. Die Spieleförderung wird in den Bundesländern mit ziemlich unterschiedlichen Modellen betrieben, und in Rheinland-Pfalz gibt es leider immer noch keine systematische Förderung. Dabei haben entsprechende Programme in Bayern oder Hamburg gezeigt, dass dadurch ein erfolgreicher Wirtschaftszweig entstehen kann, der sich ziemlich schnell von den Fördermitteln unabhängig machen kann. Wie sind denn dann die Karrierechancen für jungen Menschen, die in Trier Game-Design studieren? Wirklich gut, allerdings mit der Einschränkung, dass die meisten Absolventen Trier und Rheinland-Pfalz leider verlassen, weil beispielsweise die Gründung eines Start-Ups in anderen Ländern schlicht einfacher ist. Das ist schade, denn wir haben hier an der Trierer Universität im Schnitt 850 Studierende, die hervorragend ausgebildet werden und die sich ihre Jobs praktisch aussuchen können. Immer mehr gehen daher auch in andere Wirtschaftszweige, denn das Wissen um gutes Design und intuitive Nutzbarkeit von digitalen Oberflächen wird auch in Deutschland immer wichtiger – denken Sie nur an die Automobilindustrie. Sie beschäftigen sich jeden Tag beruflich mit Spielen. Können Sie überhaupt noch zur Entspannung „zocken“? Absolut. Es sei denn, in meinen Kopf geht gar nichts mehr rein. Dann schaue ich einen Film.

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