Rheinpfalz „Ist schon kriminell, was hier abgeht“

Wohin des Wegs? „Ja, komm ich da nicht mehr bis Schönenberg?“, fragt die Frau am Steuer verwundert. „Ist doch schon drei Wochen dicht“, erklärt ihr der Mann auf dem Trottoir. „Kann ich nicht wissen, war in Urlaub“, sagt die Frau im dunklen BMW mit entwaffnendem Lächeln. Eine Belehrung zum Abschied aber erspart ihr dies nicht: „Kennen sie das Schild nicht? Haben wir alle in der Fahrschule kennengelernt. Durchfahrt verboten!“ Der Anwohner winkt noch zum Abschied. „Ausreden finden sie aber immer“, raunt er dann dem Zaungast von der Zeitung zu. Gestern Morgen, Schauplatz Miesau: Herrscht hier wirklich Chaos, nur weil drei Wochen lang eine Kreuzung dicht war? In der Tat entfaltet die Sperrung immense Wirkung. Der Ort ist verkehrstechnisch zweigeteilt. Da liegen Nerven blank. Ohnehin leidgeplagte Anwohner müssen seither selbst weite Umwege in Kauf nehmen. Öffnet am Dienstag die innerörtliche Umleitung wieder, haben sie zwar freie Fahrt – aber wieder reichlich Verkehr vor der Haustür. Dann wälzen sich zur Rush hour oder rasen nachts – Tausende von Fahrzeugen durch die Wohnstraßen. Vom Auto bis hin zum 40-Tonner. Seit Ferienbeginn mündet auch die Umleitung in einer Sackgasse. Wohl gibt’s Schleichwege, aber die sind abgeriegelt. Abgesperrt mit Schranken, Steinbrocken, mittlerweile gar mit vollen, tonnenschweren Schuttcontainern. Alles dicht – zumindest fast. Denn es gibt Zeitgenossen, die scheren sich nicht um so was. Nach dem Motto: Gesperrt? Aber doch nicht für mich. Dann werden auch mal kurzerhand Hindernisse beseitigt. „Schon unglaublich, welche Energie die Leute aufbringen, um sich den Weg freizumachen“: Kersten Müller grinst sich eins bei dem Gedanken: „Sogar Riesen-Strohballen haben sie aus der Bahn geschafft. Gab ’ne ganz wilde Schreierei“, schildert der Polier. Da würden Wacken aus dem Weg geräumt, Absperr-Baken in die Wiese gefeuert. „Ich hab’ schon viele Baustellen mitgemacht. Hier ist es ein bisschen – na ja, extrem...“ Kersten Müller führt Regie auf der Straßen-Großbaustelle Miesau. Seit September wird die Ortsdurchfahrt – die Bahnhofstraße – grundlegend erneuert. Zumindest bis Mai wird weiter gewerkelt. Kommt ein harter Winter, kann es auch später werden. Derweil wälzt sich alles, was von einem Teil des Dorfs zum anderen möchte, durch die Umleitung. Die ist eigentlich Anliegern vorbehalten. Darum aber schert sich keiner. Seit drei Wochen aber geht gar nichts mehr. Die Kreuzung an Wiesen- und Pfühlstraße hat abgeriegelt werden müssen. „Wir könnten ein Buch schreiben; Fernseher bräuchten wir nicht, hier passiert genug“, sagt eine Anwohnerin der Wiesenstraße. Sie lacht – wenngleich ihr nicht immer zum Lachen zumute ist. „Schlimm“, pflichtet ihr der Angetraute bei. „Die lernen’s nicht. Manche kommen mehrmals, probieren’s immer wieder, könnte ja offen sein.“ Der Mann will keinesfalls mit Namen zitiert sein. Wie auch sein Nachbar. „Nee, das gibt nur Schwierigkeiten.“ Der eine hat zwei Vandalen erkannt, die sich an den Sperr-Einrichtungen vergriffen und einiges demoliert haben. Man fürchte Rache... „Was hier abgeht, ist schon kriminell“: Diesen Satz sprach gestern kein erboster, zur Übertreibung neigender Anwohner. Verbandsbürgermeister Werner Holz (SPD) war es, der seinem Ärger über unbelehrbare und unverschämte Verkehrsteilnehmer Luft machte. „Man muss sich fragen, was manche im Kopf haben“, legte Holz los. Und gab sich selbst die Antwort: „Offenbar nichts.“ Der Verwaltungs-Chef äußert Verständnis – doch nur für die Miesauer: „Das ist eine schwere Belastung. Kaufkraftverlust, Umsatzeinbußen für Geschäftsleute, ärgerlich.“ Eine Alternative zur Vollsperrung der Kreuzung gab es aber nicht. Holz will zumindest den Vandalen, den Unvernünftigen auf die Füße treten. „Das wird polizeilich verfolgt.“ Eingriff in den Straßenverkehr sei kein Kinkerlitzchen. Polier Müller berichtet vom Findling, der nahe der Feuerwache vom Weg gewälzt worden sei, um in die Wiese fahren zu können. Dort führt eine Art Weg im Bogen um die gesperrten Areale. Die Anwohner, die ihre Namen nicht preisgeben möchten, erzählen von in Wiesen steckenden Lieferwägen, von einem in der Sackgasse festgefahrenen Schwerlaster, von Rabauken, die Sperrbaken in den Bach gefeuert hätten. Holz bestätigt, dass der Ortsgemeinde immenser Schaden entstanden ist. Hochwertige Lampen zuhauf seien zu Bruch gegangen. Schon kommt der nächste gedüst, der sich von Sperrschildern nicht beeindrucken lässt. Da kann auch Sylvia Nicoletta nur tatenlos zuschauen. Die Mitarbeiterin des VG-Ordnungsamts hat nicht die Befugnis, solche rücksichtslosen Zeitgenossen zu stoppen. „Wir müssen ja auch die Umwege fahren“, sagt sie. „Ich könnte durch, ich hab’ den Schlüssel für die Schranke“, sagt Nicoletta. „Aber ich tu’s nicht. Wir müssen ja Vorbild sein.“ Als sie weg ist, rauscht der nächste an, mit Karacho. „Da könnt’ doch jetzt die Knöllchen-Puppe mal stehen“, regt einer der Anwohner Tempokontrollen in der Wiesenstraße an. Nutzen? Fraglich. Polier Müller bestätigt: Ab Dienstag, später Vormittag, soll wieder frei sein. Dann wälzt sich wieder „der halbe Südkreis Kusel“ durchs Wohngebiet, wie Holz bemerkt hat. Ans Rasen ist zumindest tagsüber nicht zu denken. Viel zu viel Verkehr im Abschnitt „nur für Anlieger“.

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