Kultur Südpfalz Im Dialog mit sich selbst

Er ist mit seinen bald 94 Jahren der wohl älteste aktive Konzertpianist weltweit: Menahem Pressler. In Karlsruhe stand er nun im Zusammenhang mit seinem Meisterkurs öffentlich Rede und Antwort.

„Ich habe drei Heimaten: Deutschland, Israel und die USA“. Pressler, der über 50 Jahre als Pianist des Beaux Arts Trios dessen musikalische Identität mitbestimmte, hat die politischen Verwerfungen des 20. Jahrhunderts am eigene Leib erfahren. Als Max Pressler wurde er in Magdeburg 1923 als Sohn einer jüdischen Familie geboren, 1938 gelang ihm mit seiner Familie die Flucht vor den Nazis nach Palästina. 1940 kam er in die USA, wo er heute noch lebt. Menahem (was „Der Tröster“ bedeutet) Pressler – „Ich habe meine Vornamen geändert, um Tribut zu erweisen, was Palästina für mich getan hat“ – lehrt zudem weiter als Professor an der Indiana University von Bloomington. Anlässlich seines Meisterkurses in Karlsruhe bot sich vor einem großen Publikum die Gelegenheit, den geistig sehr regen Pressler in der von Tabea Süßmuth moderierten Reihe „Musik im Gespräch“ zu erleben. Zudem sprach der Pianist Frank Dupree, der mit Pressler an Beethoven Sonate op. 110 arbeitete, Einblick in seine Erfahrung mit dem Pianisten. Wobei Pressler, den „Dialog mit sich selbst“, das Infragestellen eigener künstlerischer Positionen als grundlegend für jede musikalische Interpretation bezeichnete. Der Pianist verdiente sich schon 1940 in den USA erste solistische Sporen. Musikalische Meilensteine setzte er vor allem mit seinem Trio, wobei sich seine Rolle in dem Ensemble veränderte, das vier Geiger und drei Cellisten mit ihm im Laufe der Jahre bildeten. Als sehr lehrreich, aber nicht unproblematisch schilderte er die Arbeit mit dem ersten Geiger Daniel Guilet. Im Laufe der Zeit kam Pressler eine immer stärkere Führungsrolle zu, die von den jüngeren Mitgliedern akzeptiert wurde. Geradezu ins Schwärmen geriet Pressler, wenn er von dem Geiger Daniel Hope sprach, der die letzten acht Jahre des Trio mit ihm und dem Cellisten Antonio Meneses musizierte. Nicht nur dessen geigerisches Können, vor allem die Menschlichkeit Hopes, dem es nach langem Kampf mit der deutschen Bürokratie gelang, dass Pressler wieder eingebürgert wurde, war ein Thema. Schwärmerisch wird er auch, wenn er sich an die großen alten Musiker erinnert, die er oft noch selbst erlebt hat wie Arthur Schnabel oder den früh verstorben Dinu Lipatti. Nach dem Auflösung des Trios 2008 setzte Pressler zu seiner eigenen Überraschung seine solistische Kariere fort. Vieles sei Zufall gewesen, „durch mein Debüt mit 90 Jahren mit den Berliner Philharmonikern ist ein Traum wahr geworden“. Simon Rattle hatte ihn eingeladen, mit den Berlinern Konzerte von Mozart zu spielen, die auch bei Auftritten mit Orchestern wie der Staatskapelle Dresden, mit der er in Baden-Baden zu erleben war, auf dem Programm standen. Nicht nur als Solist mit Mozart-Sonaten ist er zudem im Aufnahmestudio aktiv, weiterhin auch als Kammermusiker wie mit dem jungen „Pacifica Quartett“, mit dem er das f-Moll Klavierquintett von Brahms (Cedille CD 90000170, über Naxos) eingespielt hat. Hier ist zu erkennen, was in dem Gespräch angedeutet wurde. Pressler lässt sich heute mehr Zeit, musikalische Abläufe auszuformen. Noch immer ist sein Spiel ausreichend kraftvoll und rhythmisch markant, seine Führungsrolle gegenüber den zuverlässigen, sich mit Emphase ins Musizieren stürzenden Streicher stets zu spüren. Reife und Ausdruckslust kommen so zusammen.

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