Rheinpfalz Heim ins Bayern-Reich?

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Hier lebt es sich gut, doch anderswo lebt es sich besser: Nur so ist zu erklären, dass Rheinland-Pfälzer derzeit mit Bier, Blasmusik und Rauten-Girlanden wieder so tun, als seien sie in Bayern. Ausgerechnet die Landeshauptstadt Mainz behauptet, das „größte und schönste Oktoberfest in Rheinland-Pfalz“ zu feiern. Was heißt, dass es dort noch eine Menge andere geben muss. Zum Beispiel das Westerwälder, das Wittlicher und das Binger Oktoberfest. Nun mag man in diesen Fest-Fällen noch vermuten, dass sich Menschen mit viel Alkohol weiß-blauen Illusionen hingeben, weil sie, warum auch immer, in benachteiligten Landstrichen ihres Bundeslandes ausharren müssen. Doch auch dessen Premium-Region, also die Pfalz, oktoberfestet, bis die Lederhose kracht und das Dirndl platzt: Pfalzwiesen in Frankenthal. Nordwestpfälzer Oktoberfest in Lauterecken. Oktoberfest der Parkbrauerei Pirmasens. Oktoberfest beim SV Silz mit Gaudi-Spielen. Oktoberfest des TV Maudach mit Trachten- und Dirndlschau. Selbst den Dürkheimer Wurstmarkt rühmen Menschen im Internet als „Oktoberfest der Pfalz“. Dazu kommt noch das Ereignis in der TV-Halle in Waldmohr, das laut Ortsbürgermeister zwar kein Oktoberfest war, bei dem aber eine Blaskapelle aus dem Allgäu aufspielte und Gäste in Tracht erschienen. Nun ja, es war halt ein „bayerischer Abend“. Und der hat hier ja auch sein gutes historisches Recht, schließlich durften sich die Pfälzer ab 1816 auch nüchtern als Bayern fühlen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sie dem neuen Bindestrich-Bundesland hinzugefügt. Rätselhaft bleibt nur, warum sie das nicht im Nachhinein korrigieren und sich den nach amtlicher Zählung derzeit vier bayerischen Stämmen als fünfter wieder anschließen. Pünktlich zum Stichtag dieser Wiedervereinigung würden sich Schlaglöcher in den Pfälzer Straßen von selbst befüllen. Die Konten der klammen Kommunen wären, man wüsste nicht wie, wieder im Plus. Und binnen weniger Wochen würde der als dritte Startbahn des Münchener Franz-Josef-Strauß-Airports reaktivierte Zweibrücker Flughafen die Saarbrücker Konkurrenz in die Pleite treiben. Also behauptet die rheinland-pfälzische Landesregierung vorsichtshalber, dass es ihren Bürgern in etwa so gut gehe wie CSU-regierten Menschen. 2013 vermeldete sie stolz, dass es ihre Neuntklässler bei einem Ländervergleich in bestimmten Fächern in die Spitzengruppe geschafft hätten, zusammen mit, natürlich, den Jugendlichen aus dem Freistaat. Und im vergangenen Jahr verkündete der Mainzer Innenminister Roger Lewentz gleich mehrfach, wie gut Rheinland-Pfalz bei den Internet-Bandbreiten in der Fläche liege. Nämlich, immerhin, knapp hinter Bayern. Dass dort noch viel häufiger eingebrochen werde als in Rheinland-Pfalz, erwähnt der SPD-Landeschef auch immer wieder. Doch auf derartige Miesmacherei braucht man nichts geben, denn in Wirklichkeit ist die Mainzer Landesregierung über den Freistaat ähnlich gut informiert wie über die Bonität potenzieller chinesischer Flughafen-Käufer. So behauptete Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) im Streit ums Landesnaturschutzgesetz vor knapp einem Jahr, die Union im Landtag wehre sich gegen etwas, was es „in CDU-geführten Ländern wie Bayern“ schon gebe. Eigentlich hätte der Bayern-Premier und CSU-Chef Horst Seehofer nach so einer Beleidigung irgendetwas Schlimmes in Gang setzen müssen. Zum Beispiel Markus Söder, seinen Finanz- und Heimatminister, den er ohnehin gerne durch die Gegend schickt, weil er so unverschämt gerne Ministerpräsident anstelle des Ministerpräsidenten wäre. Doch vermutlich hat Seehofer erst einmal nachschauen lassen, wo diese grüne Göre denn überhaupt lebt: in Ingendorf, Kreis Bitburg-Prüm. Jo mei, muss sich der christsoziale Patriarch dann gedacht haben. Die haust nicht nur außerhalb Bayerns, sondern sogar außerhalb der Pfalz, kurz: Sie ist schon genug gestraft. | Christoph Hämmelmann

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