Rheinpfalz „Für eine Umbenennung ist es jetzt zu spät“

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Beim Historischen Verein der Pfalz, Bezirksgruppe Neustadt, ist am Mittwoch Christof Krieger (37) zu Gast. Der Leiter des Mittelmosel-Museums in Traben-Trarbach hat sich in seiner Dissertation mit der Deutschen Weinstraße beschäftigt – und ist zu durchaus provokativen neuen Erkenntnissen gekommen.

Herr Krieger, die Gründung der Deutschen Weinstraße ausgerechnet im Jahr 1935 war keinem „dummen Zufall“ geschuldet, sondern nur unter den damaligen Bedingungen möglich, lautet Ihre These. Warum?

Unter dem Namen Pfälzische Weinstraße wäre eine solche Gründung auch zu jeder anderen Zeit möglich gewesen. Mit dem Attribut Deutsche wurde von Gauleiter Josef Bürckel aber bewusst ein Führungsanspruch innerhalb des Reiches erhoben, der ansonsten, also in der Zeit vor oder nach dem Dritten Reich, am Widerstand der übrigen Weinbauregionen gescheitert wäre. Wie war damals das Verhältnis zwischen den Weinbauregionen? Allen voran mit dem Parteichef seines Nachbargaus Koblenz-Trier, Gustav Simon, führte Bürckel einen erbitterten Kleinkrieg auch in anderen Bereichen; etwa darüber, wer den Namen „Westmarkgau“ für sich in Anspruch nehmen kann. So wurde 1937 von Simon sogar eigens ein „Weinfest der Westmark“ ausgerichtet, mit dem er sein Parteigebiet als vorgeblich bedeutendste Weinregion Deutschlands zu stilisieren suchte. Nach Ihren Erkenntnissen war die Weinstraßengründung zunächst sogar ein Reinfall für Bürckel ... Als die Absatzkrise der deutschen Winzer im Sommer 1935 einen erneuten Höhepunkt erreichte, war schnell klar, dass seitens des NS-Regimes etwas geschehen musste, woraufhin vom Reichsnährstand kurzfristig eine landesweite Weinwerbewoche angesetzt wurde. Während Bürckel zu diesem Anlass mit seiner Weinstraße einen besonderen Werbecoup zu landen hoffte, setzte Simon auf die bereits 1934 in seinem Gau etablierte Idee der „Weinpatenschaften“ deutscher Städte für einzelne Winzerorte. Jeder von beiden stellte den anderen dabei vor vollendete Tatsachen. Die Deutsche Weinstraße verdankt ihre Entstehung folglich einer Art Übertölpelungs-Wettstreit? So könnte man das durchaus sehen: Während Simon alles dafür tat, dass Bürckel seine „private“ Patenschaftsaktion nicht durchkreuzte, hoffte der Pfälzer offenkundig darauf, sein ureigenes Weinstraßenprojekt ungestört umsetzen zu können. Dieser Wettstreit endete zunächst mit einem klaren Punktsieg Simons: Während man anlässlich der Weinstraßeneröffnung im Oktober 1935 in der Pfalz vor allem markige Reden hielt, rollten zeitgleich Hunderte Eisenbahnwaggons und Lastwagen mit Mosel-, Rhein- und Ahrweinen ins übrige Reich. War die Weinstraßenidee also eher ein Flop denn ein Coup Bürckels? Nein, ganz und gar nicht! Denn als das reichsweite „Fest der deutschen Traube und des Weines“ 1936 wiederholt wurde, kam es zu einer Neuaufteilung der Weinpatenschaften, wobei die Pfalz nunmehr entsprechende Berücksichtigung fand. Die Deutsche Weinstraße behielt allerdings ihren anmaßenden Namen und bekam auch noch ein steinernes Deutsches Weintor in Schweigen ... Der SWR hat das Thema ja gerade filmisch aufgearbeitet. Ein gelungener Beitrag aus Ihrer Sicht? Im Großen und Ganzen ist die Dokumentation durchaus gelungen. Insbesondere die Ambivalenz von Bürckels Persönlichkeit wurde sehr anschaulich herausgearbeitet. Problematisch fand ich, dass auch dort die Legende verbreitet wurde, dass die Gründung der Weinstraße eine unmittelbare Reaktion auf das vorgebliche Erliegen des jüdischen Weinhandels gewesen sei. Streng genommen wird damit sogar die damalige ureigene Hetzpropaganda der Nazis aufgegriffen und bis heute konserviert. Wie ist das zu verstehen? Die systematische gesetzliche Ausschaltung und Arisierung jüdischer Gewerbebetriebe setzte erst einige Jahre später ein. Auslöser der akuten Weinabsatzkrise im Sommer 1935 war vor allem die ungeheure Rekordernte des Vorjahrs, wobei zudem noch ein weiterer ebenfalls überdurchschnittlicher Weinherbst ins Haus stand. Hinzu kam, dass die Nationalsozialisten praktisch sämtliche Versprechungen – etwa einen rigorosen Importstopp für Auslandsweine oder die sofortige Streichung der Gemeindegetränkesteuer – gebrochen hatten, mit denen sie vor 1933 bei den Winzern auf Stimmenfang gegangen waren. Um von ihrer eigenen Tatenlosigkeit abzulenken, stellten sie die jüdischen Weinhändler und Kommissionäre als Sündenböcke für die anhaltende Winzernot an den Pranger. Gibt es sozusagen Konsequenzen, die man aus Ihrer Sicht aus all dem ziehen sollte? Die Deutsche Weinstraße heißt ja immer noch so … Für eine Um- oder Rückbenennung in Pfälzische Weinstraße ist es jetzt sicherlich zu spät. Da hätten die übrigen Weinregionen bald nach dem Krieg intervenieren müssen, so wie sie es etwa bei der Deutschen Weinkönigin gemacht haben. Wollen Sie sagen, dass die Deutsche Weinkönigin auch ein Erbe Bürckels und des Dritten Reiches ist? Wird diese denn nicht schon seit 1931 gewählt? Richtig ist, dass ab 1931 alljährlich beim Neustadter Weinfest eine Weinkönigin gekürt wurde, die im Jahr darauf auch als Pfälzische Weinkönigin firmierte. Den Titel Deutsche Weinkönigin erhielt diese – wohlgemerkt bis 1949 jeweils ausschließlich aus der Pfalz stammende – Weinmajestät allerdings erst 1936; ein Jahr, nachdem Josef Bürckel die Etablierung seiner Deutschen Weinstraße gelungen war ... Info —Vortrag „Die Gründung der Deutschen Weinstraße 1935 – Bürckels größte Niederlage im Kampf gegen die Winzernot“, Mittwoch, 11. November, 19.15 Uhr, Kurfürst-Ruprecht-Gymnasium Neustadt (direkt am Bahnhaltepunkt Böbig) —www.hist-verein-pfalz.de

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