Rheinpfalz „Du Drecksack, ich schlag dich tot“

Wenn David gegen Goliath kämpft, ist nicht immer der Kleine auch der Gute, wie in der Verhandlung von Richterin Jessica Kohl deutlich wurde. Gefährliche Körperverletzung lautet die Anklage, allerdings endet die Sitzung mit der Anklage wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung.

„Du sollst brennen“ – es geht heiß her bei der Verhandlung am Pirmasenser Amtsgericht, bei der ein 66-jähriger Mann – der David – aus der Verbandsgemeinde Dahner Felsenland der gefährlichen Körperverletzung beschuldigt wird. Er soll einen 42-jährigen Mann – den Goliath – mit einer Eisenstange so stark verletzt haben, dass dieser neben zahlreichen Blutergüssen auch eine Nierenquetschung und einen offenen Bruch an der rechten Hand davongetragen hat. Der Angeklagte bestreitet die Tat, behauptet, er sei das Opfer, denn schließlich sei er von dem 42-Jährigen schon mehrfach bedroht worden und nicht umgekehrt. Am Tag des Vorfalls habe er Gartenarbeiten erledigen wollen, als der 42-Jährige mit seinem Fahrrad ankam und sagte, er würde ihn jetzt fotografieren. „Ja, mach doch“, habe er geantwortet und sich auf eine kleine Gartenmauer gestellt. „Dann habe ich gesehen, dass er ein Messer im Sack hat, und Panik bekommen, weil er mir schon einmal ein Messer an den Hals gehalten und mich bedroht hat. Ich habe mich umgedreht und bin schnell weggerannt, um die Polizei zu rufen“, sagt der Beschuldigte. Durch die ständigen Bedrohungen des 42-Jährigen habe er sogar schon Herzrhythmusstörungen bekommen. Verwundert fragt der Anwalt des Nebenklägers – des 42-Jährigen, der später als Zeuge auftreten wird –, wie der Angeklagte auf ihn zugehen konnte, wenn er doch solche Angst vor ihm habe. Eine plausible Antwort erhält er nicht. Auch der Staatsanwalt ist sich über manches noch nicht im Klaren, etwa wie die Verletzungen bei dem 42-Jährigen entstanden sind, da doch der Angeklagte weggerannt sein soll. „Vielleicht ist er auf die kleine Mauer gefallen“, meint der wenig überzeugend. Der Anwalt hakt nach, ob der Angeklagte eine Eisenstange in der Hand hatte, mit der er den Mann verletzt haben könnte. Daran kann sich der 66-Jährige aber nicht mehr erinnern: „Ich weiß nicht, ob ich etwas in der Hand hatte, das ist schon so lange her. Ich hatte Gartenwerkzeuge und Eisenstangen in der Schubkarre liegen, da ich Maulwurfhügel wegmachen wollte.“ Etwas später fällt ihm dann aber ein, dass er den Anderen eventuell mit einem Gegenstand getroffen haben könnte, als er sich zur Flucht umdrehte. Aber der Andere sei ja der Schuldige, der wolle ihm schon seit längerem schaden und habe auch am Tag des Vorfalls zu ihm gesagt: „Du Drecksau, ich mach dich fertig. Du sollst brennen“. Der Angeklagte, ein kleiner schmächtiger Mann, zeigt sich auch in der Verhandlung noch empört über diese Aussage, da weder er noch seine Bekannten verstünden, warum er „brennen“ solle. Laut Nebenklage hatte der Angeklagte einer Zeitung ein Interview gegeben habe, in dem er sagte: „Es stimmt. Es ist etwas passiert. Es tut mir schrecklich leid.“ Der Beschuldigte erklärt dieses Zitat so:„ Es tat mir nur leid, dass der Mann sich verletzt hat. Aber gemacht hab’ ich nix.“ Der erste von insgesamt zehn Zeugen wird aufgerufen. Es stellt sich heraus, dass der Mann, der mit einer Gehhilfe den Raum betritt, das angebliche Opfer ist. Im Vergleich zum recht kleingewachsenen Angeklagten ist er ein Riese. Seine Schilderung der Begebenheiten deckt sich in keinster Weise mit dem, was der Angeklagte zuvor geäußert hatte. Lediglich, dass er mit dem Rad vorbeifuhr, bestätigt er. Allerdings seien die verbalen Attacken vom Angeklagten ausgegangen und nicht von ihm, denn dieser habe ihm zugerufen: „Du Drecksack, ich schlag dich tot.“ Dann sei dieser vor sein Fahrrad gesprungen und habe mit einer Eisenstange wild auf ihn eingeschlagen. Mit den Händen habe er versucht, seinen Kopf zu schützen, wodurch auch der Bruch an der rechten Hand zustande kam. Als er es dann geschafft hatte, vom Rad abzusteigen, sei der Angeklagte geflüchtet. Der 42-Jährige berichtet, dass die Auseinandersetzungen der beiden schon am 15. April 2013 begonnen hätten, er aber auf keine der 19 Drohungen eingegangen sei. „Ich habe ihn als Schwätzer abgetan und die verbalen Attacken ignoriert“, sagt der Zeuge. Nachdem der Staatsanwalt sich bei dem 42-Jährigen darüber informiert hat, dass dessen Verletzungen an der Hand so gravierend sind, dass er keinen Beruf mehr ausüben könne und laut den Ärzten auch keinen Besserung in Sicht sei, zieht er sich mit der Richterin und den beiden anderen Anwälten zur Beratung zurück. Anschließend fordert er die Verweisung des Verfahrens ans Schöffengericht mit der Begründung, dass wegen der Folgeschäden und der nicht vorhandenen Aussicht auf Besserung keine gefährliche Körperverletzung mehr vorliege, sondern bereits das Verbrechen einer schweren Körperverletzung. Der Nebenkläger stimmt zu, die Anwältin des Angeklagten enthält sich. Die Richterin entscheidet, den Fall ans Schöffengericht zu geben, da das Strafgericht bei Verbrechen nicht mehr zuständig ist. Die restlichen neun Zeugen werden entlassen und müssen erst wieder bei der Verhandlung vor dem Schöffengericht erscheinen. (iam)

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