Rheinpfalz Die kleine Chefin

Nach der großen Birgit Prinz und im vergangenen Jahr Torhüterin Nadine Angerer ist die Pfälzerin Nadine Keßler aus Weselberg die dritte deutsche Weltfußballerin. Eine Annäherung an die Nationalspielerin, die im Sommer zur WM will.

Das Schönste überhaupt. Das ist für Ruth Keßler, Oma zu sein. Aber natürlich ist die Mutter von Weltfußballerin Nadine Keßler auch stolz auf ihre Sportlerin. Drei Kinder haben die Keßlers aus Weselberg, Thorsten, der auch Fußballer ist, Yvonne und Nadine. Der ist das Fußballgen in die Wiege gelegt worden. Weil die Eltern sich ums Sportheim gekümmert haben, kam’s, dass die Kinder dort groß geworden sind. „Nadine war immer dabei, das hat sich so ergeben. Sie hat es einfach im Blut gehabt“, sagt die Mutter über die sportlichen Anfänge der Wolfsburger Champions-League-Siegerin und deutschen Meisterin, die am Montagabend in Zürich zur ihrer eigenen großen Überraschung Weltfußballerin geworden ist. Puppen, damit hat die kleine Nadine nichts anfangen können. Sie hat ihre Tage auf dem Bolzplatz verbracht (und in den Ferien ging’s zum Wandern). Den Ball unterm Arm ist sie vornewegmarschiert – und die Jungs hinter der kleinen Chefin her. Die Schule ist nie zu kurz gekommen. Auch später nicht, als sie als U15-Nationalspielerin öfters nicht da war. „Sie hat mehr gefehlt als jede andere, aber jede Arbeit geschrieben“, erzählt Ruth Keßler. Auch die Hausaufgaben waren nie ein Thema. Sie wurden vor dem Sport gemacht; manchmal auch schon im Bus, um gleich raus zu können. Die Heimat im Kopf Zu ihrer Heimatverbundenheit steht Nadine Keßler, die von Kindesbeinen an FCK-Fan ist und viele Jahre in der Westkurve, Block 8, stand. Die Familie ist ihr Rückhalt und auch gerne und oft bei Spielen. So wenig verbissen die Eltern Ruth und August, wie auch Bruder Thorsten und Schwester Yvonne die Karriere begleiten, so ehrgeizig ist Nadine Keßler. Dass sie nach ihrer Ernennung zu Europas Fußballerin des Jahres im Sommer vergangenen Jahres nun auch noch Weltfußballerin wurde, bringt die geliebte Heimat fast ein bisschen in Verlegenheit. In Weselberg soll sie wie schon im Vorjahr ein weiteres Mal „in einem würdigen Rahmen“ geehrt werden, wie Hans Mangold verspricht. Der Ortsbürgermeister kennt Nadine von klein auf. Wie wohl sie sich zuhause fühlt, davon hat sich der Präsident des Südwestdeutschen Fußball-Verbands (SWFV) als Gast der letztjährigen Feier ein Bild machen können. „Sie ist da vollkommen integriert, das war sehr harmonisch“, sagt Hans-Dieter Drewitz, dem für die junge Dame die Ehrungen ausgehen, denn eigentlich hat sie schon die maximale Auszeichnung, die Goldene Ehrennadel, erhalten. „Bei Älteren sagen wir im Spaß, der Kollege ist ausgeehrt“, erzählt Drewitz, der aber auch ganz gut einzuschätzen weiß, welchen Stellenwert der Verband für die Weltfußballerin hat. Dadurch, dass sie schon als Jugendliche nach Saarbrücken gegangen sei, bestehe eben keine so enge Verbindung. Das ist für den Verbandschef aber auch in Ordnung. Saarbrücken sei eine gute Adresse im Frauen-Fußball. Sein Credo: „Wir verlieren sie ja nicht, sondern geben sie nur weiter.“ Das andere Auftreten In Saarbrücken haben sie sie gerne genommen, die „Kessi“, die sich als ganz junge Spielerin innerhalb kürzester Zeit dort zur Führungsspielerin entwickelt hat. Anfangs ist sie noch zwischen Weselberg und Saarbrücken hin- und herkutschiert worden, später war sie dort im Internat. Ihr damaliger Trainer, Winnie Klein, freut sich sehr für sein ehemaliges Ass. „Das gibt einen Schub für die ganze Region“, glaubt er. Nadine Keßler hat für ihn die Ausstrahlung, die nur die Wenigsten haben. „Es gibt Menschen, die etwas Besonderes sind. Ich habe vor Jahren einmal in der Uwe-Seeler-Elf gespielt. Es war unbeschreiblich, als er damals in die Kabine kam. Er hatte eine Aura. So ähnlich ist es bei Nadine“, sagt Winnie Klein. Er ist voll des Lobes für Nadine Keßler, aber er weiß auch, wie alles angefangen hat. „Als sie hier an der Eliteschule war, hat sie zehn bis zwölf Stunden am Tag an sich gearbeitet. Erfolg kommt von Arbeit, und das ist Nadine“, erklärt er. Der große Schritt Der internationale Durchbruch ist Nadine Keßler in Brandenburg gelungen. Turbine Potsdam war als Meister im Sommer 2009 die beste Adresse im deutschen Frauen-Fußball. Nadine Keßler und die aus Trier stammende Josephine Henning haben gemeinsam den großen Schritt gewagt – und sind zusammen 2013 in Schweden Europameister geworden. Auch in Potsdam war Keßler lange und viel verletzt. Aber wenn sie fit war, hat sie gemeinsam mit Lira Bajramaj und Anja Mittag ein Traum-Offensivtrio gebildet. „Sie ist eine Fußballerin mit Leidenschaft, Engagement und Herz“, sagt ihr damaliger Trainer. Bernd Schröder weiß, dass sie „immer ihre Aufgaben zu 100 Prozent löst“. Das hat er am eigenen Leib erfahren müssen, wenn sie nach ihres Potsdamer Zeit, die 2011 endete, „gegen uns getroffen hat. Sie macht immer die entscheidenden Tore gegen uns“, sagt er. Zumindest vermittelt sie ihm aber auch das Gefühl, dass ihr das fast ein bisschen leidtut. Den FCK im Herzen Der Patenonkel hätte aus Nadine gerne einen Bayern-Fan gemacht und hat sie als Kind auch nach München mitgenommen zu einem Spiel. Aber der liebe Onkel hatte keine Chance. Die Nichte hatte ihr Herz schon an die Roten Teufel verloren. Der beste Stürmer der Welt war für sie Pavel Kuka, den sie dann sogar kennenlernen und ihm Briefe schreiben sollte. Der Tscheche kann sich so viele Jahre später kaum daran erinnern. „Aber da war ein kleines Mädchen“, erzählt er ... und kramt die Briefe raus, die er bis heute aufgehoben hat. „Ja, wenn es nicht zwei Nadine Keßlers damals gab“, sagt er verschmitzt – und schweigt. Die Inhalte sind, das ist Ehrensache, natürlich privat. Zur Wahl als Weltfußballerin hat er ihr nun gratuliert und sie zum Wiederauflagespiel des EM-Finals von 1996 zwischen Deutschland und Tschechien nach Prag am Pfingstmontag eingeladen. Das dürfte für die Nationalspielerin so kurz vor der Weltmeisterschaft in Kanada aber eng werden.

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