Rheinpfalz Der hässliche Heiler

Studenten der Universität Saarbrücken erforschen zurzeit ein bestimmtes Gen des Nacktmulls. Sie hoffen, dass die Medizin damit in absehbarer Zeit Krebs vorbeugen und heilen kann. Mit ihrem Projekt nehmen die Studenten im Herbst an einem Forschungswettbewerb in Boston in den Vereinigten Staaten teil. Sie sind noch auf der Suche nach Sponsoren für ihre Forschung.

Der Nacktmull ist ein unterirdisch lebendes Nagetier, das in Afrika vorkommt und hauptsächlich wegen seiner Hässlichkeit bekannt ist. Nacktmulle werden im Vergleich zu anderen Nagetieren sehr alt, bis zu 30 Jahre. Und sie erkranken „selten bis gar nicht an Krebs“, erklärt die Pressesprecherin der Universität, Melanie Löw. Nun hofft man herauszufinden, warum das so ist, und ob ein Schutzmechanismus existiert, der auch auf den Menschen übertragbar ist. „Mit den Tieren selbst arbeiten wir gar nicht“, erklärt Julia Michely, eine der beiden Doktorandinnen, die das Projekt begleiten. Stattdessen gaben die Projektleiter einer Firma den Auftrag, das benötigte Nacktmull-Gen künstlich herzustellen. „Es geht um die sogenannte Hyaluronsäure“, erklärt Aline Löhfelm, die Studentin, die das Projekt mit Maximilian Ehrhardt und Philip Hartz leitet. Hyaluronsäure gibt es im menschlichen Körper auch, sie dient etwa als Schmiermittel in den Gelenken. Beim Nacktmull wurde allerdings eine Form der Säure entdeckt, die in ihrer Struktur sechsmal größer ist als beim Menschen. Sie könnte Eigenschaften aufweisen, die gegen Krebszellen wirken. Die Studenten versuchen, die Säure herzustellen und zu testen. Dafür pflanzen sie das künstlich hergestellte Nacktmull-Gen, das für die Herstellung der Säure verantwortlich ist, in Bakterien ein. Klonieren nennt man das in der Fachsprache. Die Bakterien mit dem zusätzlichen Gen können dann selbst die Hyaluronsäure herstellen, erklärt Michely. „Dieses Verfahren wird sehr oft verwendet. Insulin wird auch so hergestellt“, sagt sie. Haben die Bakterien genug Säure hergestellt, wird „aufgereinigt“. „Das heißt, dass das Bakterium entfernt wird und nur die Säure übrigbleibt“, sagt Michely. „Das ist viel mehr Arbeit als es sich hier anhört. Für den Wettbewerb wollen wir erst mal die Säure herstellen und reinigen. Wenn dann noch Zeit bleibt, testen wir sie an einer Zelllinie“, berichtet Löhfelm: Die Säure wird mit Krebszellen in Verbindung gebracht – und die Studenten „schauen, was passiert“, drückt es Löhfelm salopp aus. Der Studentenwettbewerb in Boston soll Interesse an synthetischer Biologie zu wecken. 245 Teams aus aller Welt nehmen daran teil. Jeder mit einem eigenen Projekt. Zu den Aufgaben gehört nicht nur das Erforschen eines Themas an sich. Die Studenten sollen selbst Sponsoren suchen, ein Labor organisieren, Mitstreiter auswählen, eine Homepage erstellen und eine Präsentation vorbereiten, erzählen die beiden Forscherinnen. Und das alles in ihrer Freizeit. „Wir arbeiten nach der Uni, an den Wochenenden und in den Semesterferien.“ Um das Team zusammenzustellen, gab es ein Casting: „Wir wollten nicht nur mit unseren Freunden arbeiten“. Stattdessen haben sie eine Rundmail an alle Teilnehmer des Studiengangs geschickt und aus Bewerbern ausgewählt. „Jetzt sind wir ein bunt gemischtes Team“, so Löhfelm, „wir haben Leute, die ihren Abschluss machen, aber auch Zweitsemester.“ Als zweite Betreuerin ist Jennifer Folz mit an Bord. Uli Müller ist der Professor, der „seine Hand über uns hält“, wie Löhfelm es ausdrückt. „Es ist gut, wenn jemand dabei ist, der sich um die offiziellen Sachen kümmern kann.“ Ein paar Sponsoren sind schon gefunden. „Wir erhalten nicht nur Geldspenden, sondern auch Labormaterialien“, sagt Michely. Finanzielle Hilfe bekommen sie unter anderem vom Zentrum für humane und Molekularbiologie an der Universität. Die Saarbrücker Studenten bräuchten aber noch etwa 5000 Euro, um ordentlich arbeiten zu können, schätzt Löhfelm. Finanziert werden müssten Chemikalien, Geräte, Reisekosten, Teilnahmegebühren. Der Wettbewerb findet im Herbst statt. „Wir haben also nur sehr wenig Zeit für die Forschung. Normalerweise braucht man Jahre für so etwas“, erklärt Michely. Die Uni Saarbrücken tritt zum ersten Mal an, laut Michely hoffen die Studenten, damit eine Tradition zu begründen. „Die Uni hat in letzter Zeit so viele Negativschlagzeilen gemacht“, spielt Michely auf die Budgetkürzungen an. Mit der Teilnahme an dem renommierten Wettbewerb hoffen die Studenten zum Ansehen beizutragen. Die Erforschung der Nacktmulle und ihrer Eigenschaften wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Sollte die Wissenschaft mit ihrer Hilfe einen Wirkstoff gegen Krebs finden, könnte der sowohl vorbeugend als auch zur Heilung angewendet werden, schätzt Löhfelm. Vielleicht sogar in Kosmetika wie Sonnenschutzmitteln (mefr)

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