Rheinpfalz Das Ende der Kaiserzeit in Lothringen

BITSCH. Während das Bitscherland im Zweiten Weltkrieg direkt an der Front lag, war die Region im Ersten Weltkrieg Hinterland, allerdings deutsches Hinterland. Eine Ausstellung im Maginotmuseum „Simserhof“ bei Bitsch beleuchtet die für die Lothringer wirre Situation im Ersten Weltkrieg. Unterstützt wurden die Ausstellungsmacher durch den Pirmasenser Historischen Verein.

Zwischen dem heute saarländischen Reinheim und dem lothringischen Bliesbruck hatten Unbekannte bei Kriegsausbruch im August 1914 ein Schild mit der Aufschrift „Im Feindesland“ angebracht. Dabei war Elsass-Lothringen seit 1871 wieder deutsches Reichsgebiet. In Bitsch gab es eine riesige deutsche Kaserne, die Stadt hatte sich unter der Herrschaft des deutschen Kaisers massiv verändert und 1905 sollen 48 Prozent der Bitscher aus Deutschland eingewanderte Beamte und Soldaten gewesen sein. Umgekehrt waren mindestens zehn Prozent der Bevölkerung nach Frankreich abgewandert. Auf den Bitscher Straßen wurde fast nur deutsch geredet. Die Lothringer selbst, so ist es einem umfangreichen Katalog zur Ausstellung zu entnehmen, hätten die Kriegserklärung an Frankreich ruhig aufgenommen und den Befehlen zur Mobilmachung sei Folge geleistet worden. Gleich im August seien auch in Bitsch Sammlungen für die deutschen Soldaten gestartet worden, wie überall im deutschen Reich. Wie die Stimmung der Lothringer nach der Kriegserklärung wirklich war, lasse sich aber heute nicht mehr genau sagen. Zeitzeugen leben schon lange nicht mehr und die schriftlichen Zeugnisse der Zeit von 1914 bis 1918 wurden zunächst von den französischen Behörden zwischen 1918 und 1940 beeinflusst und anschließend während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg mit Sicherheit andersrum bearbeitet. Mit Sicherheit kann gesagt werden, dass sich das Bild von Bitsch zwischen 1871 und 1914 erheblich wandelte. Die Festungsanlagen um die Stadt wurden aufgebrochen und Bitsch öffnete sich für das Umland. Neue Kasernen und Feldlager entstanden, die Region erlebte einen gewissen wirtschaftlichen Wohlstand. Bei Kriegsausbruch zählte die Bitscher Garnison 8000 deutsche Soldaten und spielte während des Krieges eine nicht unerhebliche Rolle. Gegen Ende des Krieges wurden noch fünf deutsche Flugzeuge dauerhaft in Bitsch stationiert. Die deutschen Soldaten indes sollen sich nicht allzu wohl im Bitscherland gefühlt haben, wie Dokumenten aus dem Katalog und auf Tafeln in der Ausstellung zu entnehmen ist. Die bayerischen und preußischen Soldaten verhielten sich wie in Feindesland. Nicht selten sollen sich die deutschen Soldaten aus Nervosität gegenseitig erschossen haben. Gleich bei Kriegsausbruch sollen 250 Lothringer verhaftet und in Bitsch interniert worden sein. Bei den Verhafteten soll es sich französisch sprechende Lothringer gehandelt haben, die dann auf andere Lager verteilt wurden. Vielfach wurden in der Bevölkerung Spione und Verräter denunziert. Es gab Gerüchte über Angriffe auf deutsche Soldaten aus der Bevölkerung heraus, die jedoch nicht belegbar gewesen sein sollen, während Berichte über Grausamkeiten von bayerischen Truppen gegen die Lothringer Bevölkerung bis auf höchste Militärebenen vordrangen und aktenkundig wurden. In der Ausstellung werden die verschiedenen Seiten des Krieges im Hinterland beleuchtet. Die deutsche Propaganda und das immer schlechtere Leben der Zivilbevölkerung sind Themen der Ausstellung wie auch Berichte von einzelnen lothringischen Soldaten in deutschen Diensten. Die Ausstellungstafeln sind zum größten Teil in französischer Sprache mit kleinen Abschnitten, die in deutsch übersetzt wurden. Im Katalog sind die meisten Passagen in französisch. Die Beiträge von Heike Wittmer, der Vorsitzenden des Pirmasenser Historischen Vereins, und ihrer Kollegen sind in deutsch abgedruckt. Dazu kommen Passagen von französischen Historikern in deutscher Sprache. Für Heike Wittmer waren die Ausstellung und der Katalog nicht die ersten grenzüberschreitenden Projekte des Historischen Vereins zusammen mit der Bitscher Sektion der „Société d′Histoire et d′Archéologie de la Lorraine“, also der Historischen und Archäologischen Gesellschaft Lothringens. Eine Zusammenarbeit, die Wittmer als sehr fruchtbar empfunden habe und gerne fortsetzen will. „Es ist nur so schade wegen der sprachlichen Barriere“, meinte Wittmer, die selbst fließend französisch spricht. Das Interesse der Schulen auf Pirmasenser Seite lasse an der Thematik noch zu wünschen übrig. Den Schulen in der Südwestpfalz seien die Kataloge der Ausstellung angeboten worden. Lediglich zwei hätten sich gemeldet, bedauert Wittmer. Ergänzt werden die Texttafeln der Ausstellung mit einem dutzend Vitrinen, in denen stumme Zeitzeugen in Form von Uniformteilen, Waffen und anderem Gerät aus dem Ersten Weltkrieg gezeigt werden. Die Exponate reichen von Pickelhauben, Stahlhelmen oder Säbeln. Eine Vitrine zeigt Varianten von Handgranaten, die mal als Stabhandgranate, Eiergranate oder Diskusversion den Tod bringen sollten. Karabiner von Mauser und dem französischen Hersteller Lebel liegen in einer Vitrine seit an seit. Ein Maschinengewehr „M6 Maxim“ ist in den Raum gerichtet und verblüfft den heutigen Besucher durch seine einfache Machart, die jedoch tausendfach Tote forderte. Das armselige Leben der Soldaten wird mit einigen Ausstellungsstücken dokumentiert wie beispielsweise einem Mini-Essbesteck, das den dürften Portionen angeglichen war. (kka)

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