Rheinpfalz Aufschwung dank Grenzverkehr

Der Bruchmühlbacher Bahnhof hat in seiner 156-jährigen Geschichte vieles erlebt: Von der Provinzstation wurde er zum größten Zollbahnhof Deutschlands, hinter Basel war er sogar der zweitgrößte in Europa. Mal ging es an den Gleisen mit königlich-bayerisch-pfälzischer Gemütlichkeit zu, mal stahlen sich die Schmuggler davon.

Dreimal rückte die 1858 erbaute Bahnstation ungewollt ins Rampenlicht: 1918 blockierte ein Schneesturm die Gleise. Ein Militärzug krachte zwischen Hauptstuhl und Bruchmühlbach gegen einen Güterzug und forderte das Leben von 35 Soldaten, 81 wurden schwer verletzt. Dann kam mit dem Versailler Friedensvertrag die Grenze. 1919 hörte hinter Bruchmühlbach quasi über Nacht Deutschland auf. Das Saargebiet war draußen. Dem 900-Seelendorf wurde das Korsett eines Grenzbahnhofs und einer Zollstation übergestülpt. Das Saargebiet wurde vom Deutschen Reich abgetrennt. Gemäß der Artikel 45 bis 50 des Versailler Vertrages wurde das Saarbecken als Mandatsgebiet des Völkerbundes verwaltet. Frankreich erhielt zur Wiedergutmachung das Eigentum an Kohlenfeldern und Kohlegruben. Der Chronik des Hauptzollamtes Kaiserslautern ist zu entnehmen, dass zu jener Zeit der Bahnhof Bruchmühlbach rasch ausgebaut wurde. An der Westseite entstand ein zweistöckiger Fachwerkbau. Die Wechselstube florierte genauso wie die beiden Gasthäuser am Bahnhof. Dass es damals noch kein elektrisches Licht, sondern nur Petroleumlampen am Bahnhof gab, machte die Sache mit dem „Haben Sie etwas zu verzollen?“ nicht einfacher. Der ehemalige Zollmann Ludwig Posset erinnert sich in der Chronik an 50 Zöllner, die den Grenzverkehr überwachten. Sie brachten ihre Familien mit und wollten ein Dach über dem Kopf. Doch Bruchmühlbach, schlagartig mit dem letzten innerdeutschen Bahnhof bestückt, war dem nicht gewachsen. In der Dorfmitte ließ die Zollverwaltung sieben Familienwohnhäuser, den Zollblock, für die Zöllner bauen. Burchmühlbach wuchs immer weiter. Ein Kalenderblatt der Deutschen Reichsbahn, datiert im Oktober 1931, ist in der Sammlung von Michael Czok zu finden. Der Bruchmühlbacher bewahrt auch alte Ansichtskarten zum Eisenbahnunglück auf. 1931 florierte der Grenzbahnhof. Im Güterverkehr 1929, so steht es da zu lesen, mussten an den vier pfälzischen Grenzstandorten (Zweibrücken, Wörth, Winden und Bruchmühlbach) 252.000 eingeführte Wagenladungen abgewickelt werden. Allein 124.000 Wagen kamen in Bruchmühlbach mit Kohle, Eisen, Thomasmehl, Glas und Baustoffen an. Weitere 3000 geladene Wagen fuhren durch. Auch der Schnellzugverkehr war damals nicht unerheblich für den Zoll in Bruchmühlbach. Eine deutliche Mehrheit bei einer Volksabstimmung brachte das Saargebiet „heim ins Reich“: Am 1. März 1935 wurde es eingegliedert. Doch nach dem Krieg kehrte das Zollgeschäft zurück: 1948 wurde das Saargebiet erneut wirtschaftlich und politisch von Deutschland getrennt. Am Bahnhof Bruchmühlbach gab es neue Gleise, neue Bahnsteige und einen Neubau an der Westseite. Die Bahnhofshalle wurde um- und eine Gaststätte eingebaut. Bis zu 70 Zöllner waren in der Folge dort beschäftigt waren. Für sie ließ die Wohnungsbaugesellschaft in den Jahren 1951/52 Häuserblocks errichten. Mit 36 Reisezügen rollten im kleinen Bruchmühlbach die meisten zu verzollenden Züge ganz Deutschlands ein. „In Basel waren es 40“, schreibt Zollmann Posset in der Chronik. Hinzu kam die Einfuhr für die Eisenindustrie, die an diesem Bahnhof 35 Prozent der Gesamteinfuhr über die deutsche Schiene betrug. Bruchmühlbach ließ die Staatskasse klingeln! 1955 wurden zwischen 42 und 43 Millionen Mark – etwa 21 Millionen Euro – in die Staatskasse gespült. Eine ganz hübsche Summe. Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte das Gebiet des heutigen Saarlandes bis 1947 zur französischen Besatzungszone, wurde wirtschaftlich an Frankreich angeschlossen. Nach einer Volksabstimmung im Jahre 1955 trat es 1957 der Bundesrepublik Deutschland bei. Am Bahnhof Bruchmühlbach wurde es ruhig. Und wenn hier heute die S-Bahnen einrollen, der Schnellzug nach Paris durchrauscht, dann muss keiner mehr seine Habseligkeiten vorzeigen oder verzollen. Warum auch? Heute ist Bruchmühlbach ein Dorf mitten in Europa wie viele andere auch. Mal abgesehen von seiner doch ungewöhnlichen Bahnhofsgeschichte.

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