Rheinpfalz Anlage „stirbt mit den besten Werten“

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„Wenn die Anlage stirbt, dann stirbt sie mit den besten Werten“, stellte Joachim Becker, Werkleiter der Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Wallhalben, mit Blick auf die Nano-Keramik-Membran-Kläranlage in Petersberg im Werksausschuss fest. Dass die Pilotanlage stirbt, sprich in der jetzigen Form aus dem Betrieb genommen werden muss, steht jedoch fest. Die Mängelliste ist lang, die Fehler reichen bis in die Bauphase zurück.

Mangelnde Kooperation des Membran-Herstellers, der ITN AG aus Saarbrücken, hat die Problembehandlung indes nicht leichter gemacht. Das verdeutlicht der Schlussbericht der Universität Kaiserslautern, die die Anlage nach der Betriebsaufnahme wissenschaftlich untersucht hat. Diese wissenschaftliche Begleitung sollte Erkenntnisse für mögliche weitere Anlagen dieser Art liefern. Und sie war eine Voraussetzung dafür, dass die Anlage, die in Deutschland im kommunalen Bereich in dieser Art erstmals zum Einsatz kommt, genehmigt und vom Land finanziell gefördert wird. Die Erkenntnisse des an der Uni angesiedelten Zentrums für Abwasserwirtschaft, die Henning Knerr dem Werksausschuss vorstellte, machten deutlich, dass es wohl auch die letzte ihrer Art im kommunalen Bereich gewesen sein dürfte. Zusammengefasst lässt sich sagen: Was die Reinigungsleistung anbelangt, liefert die Anlage sehr gute Ergebnisse. „Mit die besten in Deutschland“, konstatierte Knerr. Was den Stromverbrauch anbelangt, gehört die Anlage aber zu den schlechtesten in Deutschland. Deutschlandweit verbrauchen Kläranlagen pro Einwohner und Jahr im Schnitt 39 Kilowattstunden Strom. Die Anlage in Petersberg kommt auf 189 Kilowattstunden. „Das ist schlecht. Es gibt nicht viele Anlagen, die so viel Energie verbrauchen, wie die Anlage in Petersberg“, so Knerr. Auch wenn bei Membran-Anlagen konstruktionsbedingt ohnehin ein höherer Verbrauch einkalkuliert sei. Das größte Problem der Anlage, so Knerr, sei die Hydraulik. Das wirke sich auf die verwendeten Keramik-Membrane aus. An den Membranen – das ist vom Prinzip her so gewollt – setzen sich auf einer Seite die Stoffe ab, die aus dem Abwasser herausgelöst werden. Doch die Membrane verblocken, weil die Steuerung der Anlage nicht so funktioniert, wie es in der Betriebsbeschreibung vorgegeben ist. So arbeiten die beiden Reinigungsstraßen unterschiedlich – in einer Straße sind ältere Keramik-Modelle verbaut als in der anderen Straße – und die Programmierung der verschiedenen Lastfälle ist nicht optimal. Sie setzen sich deshalb mit einem Kuchen aus herausgefilterten Partikeln zu. Das hat zur Folge, dass das Abwasser mit immer höherem Druck durch die Membrane gedrückt werden muss, was wiederum den Energieverbrauch nach oben treibt. Die gravierendere Folge ist, dass immer weniger Wasser durchkommt, weil die Membrane trotz Spülvorgängen binnen Wochen altern, also an Leistungsfähigkeit verlieren. Zwar könne man die Keramik-Membrane mit scharfen Reinigungsmitteln wie Zitronensäure behandeln. Aber trotz Spülung und Reinigung sei der Alterungsprozess nicht aufzuhalten. Der Gau wäre, wenn das Abwasser nicht mehr durch die Membrane komme, sich im Regenüberlaufbecken aufstaue und ungeklärt in den Mutterbach liefe. Den Membran-Alterungsprozess haben die Wissenschaftler der Uni bereits im zweiten von vier geplanten Begleituntersuchungszyklen festgestellt. Zu den vier Zyklen kam es erst gar nicht, weil schon kurz nach Aufnahme des dritten Zyklus Membrane brachen. Sie waren komplett verbacken, hatten zu viel Spannung. Weitere Werte wurden den Uni-Wissenschaftlern ab diesem Zeitpunkt von ITN nicht mehr zur Verfügung gestellt, erläuterte Knerr. Bei der Fehleranalyse gebe es deshalb nur Vermutungen. Denkbar sei eine falsche Verkabelung. Erstaunt habe auch, dass für vier Reinigungsstraßen, die zusammen rund 2000 Quadratmeter Membranfläche ausweisen, nur zwei Filtrationspumpen eingesetzt sind. Die Anlage hat eine Programmierung für vier sogenannte Lastfälle. Das sind Reinigungsereignisse, die eine Anlage je nach ankommender Abwassermenge zu bewältigen hat. Für jeden Lastfall gibt es eine Programmierung, die verschiedene Stufen berücksichtigt. In größeren Lastfällen hätten beispielsweise der Einbau eines Schiebers und das Legen von Bypässen helfen können, die Abwassermengen besser zu steuern, zeigte Knerr Möglichkeiten auf. Ein großes Problem sei, dass die Membrane auch verbacken, wenn nur Regenwasser in größeren Mengen ankomme. Im Normalfall bedeute viel Regen, dass das Abwasser verdünnt wird. Das erhöht bei anderen Anlagen in der Regel die Reinigungsleistung. In Petersberg geht der Wirkungsgrad der Anlage bei Starkregen zurück. Wie mehrfach berichtet, hat die Verbandsgemeinde bei Gericht ein Beweissicherungsverfahren beantragt, ein Gutachter ist bestellt. „Wir sind in einem juristischen Prozess, deshalb dürfen wir an der Anlage auch nichts verändern“, sagte Becker. Zu Steuerung und Programmierung merkte Knerr an, dass sie signifikant von der Steuerung in der Funktionsbeschreibung abweiche. Hier sei im zu erwartenden Gerichtsverfahren zu klären, „ob die Anlage so gebaut wurde, wie sie geplant wurde“. Die Programmierung orientiere sich an Werten, die erreicht werden sollten. Am sogenannten TS-Wert, der den Anteil an Trockensubstanz im Klärschlamm angibt. Diese Werte habe die Uni Kaiserslautern vorgegeben, bestätigte Knerr. Aber nur, weil ITN in den Gesprächen mit allen Beteiligten, inklusive der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd als Aufsichtsbehörde, mehrfach bestätigt habe, dass die Anlage die Werte schaffe. Dass das Kanalwerk 2014 mit einem Verlust von 350.000 Euro abschließe, wovon 270.000 Euro aus dem Bereich der früheren Verbandsgemeinde Thaleischweiler-Fröschen und 80.000 Euro aus dem Bereich der früheren VG Wallhalben kommen, gehe unter anderem auf diese Anlage zurück, sagte Becker. Wegen der zu tätigenden Abschreibungen, aber auch weil Ersatzteile beschafft werden mussten. (add)

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