Sport Pause unter 21 Fontänen

Asche auf mein Haupt. Ich gestehe, ich weilte bei Kai Kazmireks Fauxpas im Hürdenlauf noch nicht im Stadion. Ich brauchte mal eine kleine Pause. Zum Abschalten. Ich versuche ja schon mit einer revitalisierenden Augencreme mein Bestes, und die Fingerkuppen bräuchten wegen einer drohenden Tastaturallergie irgendwie auch eine liebevolle Pflege. Hat wer einen Tipp?

Am Donnerstag morgen schon war klar, dass es ein langer Tag werden wird. Die Session dauerte bis 0.30, was eben den Zehnkämpfern geschuldet war. Da sie nicht schon vormittags, wie sonst üblich, im Stadion kämpfen, zog sich der „Decathlon“ wie Kaugummi bis nach Mitternacht hin. Mit einem sensationellen Ausgang. Niklas Kaul, der 21 Jahre alte Saulheimer holte den WM-Titel. Und weil das Druckzentrum die Maschinen anhielt, kann gut die Hälfte der Leser das am Freitag morgen schwarz auf weiß lesen. Chapeau nach Oggersheim!

Zurück zum Vormittag. Erst hatte ich mal meiner Familie daheim einen schönen Feiertag gewünscht, worauf prompt Sohnemann Paul aus Thailand schrieb: „Hä, wie Feiertag?“, dann Hanna Klein, Christin Hussong und Raphael Holzdeppe noch für die Lokalteile – wie wir sagen – nachgedreht. 45 Minuten Fitnessstudio hängte ich hintendran.

Abschalten hieß für mich, schnurstracks durchs Villaggio hindurch und in den Aspire Park marschieren, in jenes fast 90 Hektar großes Stück Grün (sofort drängte sich mir der Mannheimer Luisenpark in den Sinn) neben der ebenso gigantisch großen Sportanlage um den Aspire Dome. In der größten Sporthalle der Welt können 13 Veranstaltungen gleichzeitig stattfinden. Das ganze Gelände mitsamt sechs Outdoor-Fußballplätzen nennt sich Aspire Academy, oder einfach nur Sports City. So steht es an der Metro-Station, die noch im Bau ist. Nicht nur der FC Bayern ist hier seit Jahren Stammgast und trotzt, wie gerade wieder mal üblich, der Kritik an Katar und dessen Umgang mit den Menschenrechten.

Schön, aber pitschepatschenass

Später Nachmittag. Nur wenige Menschen sind unterwegs. Ins Auge fällt mir diese Brücke mit 21 Fontänen, die warmes Nass über die Brücke ausspeien. Gibt es einen schöneren Wasserspielplatz? Nein. Ich gehe auch drüber und drunter durch, fotografiere und bin – pitschepatschenass.

Im Coffeeshop gönne ich mir einen Cappuccino mit zwei knochenharten Cookies, die mir der Kellner in der Mikrowelle weich „kocht“, hänge mein Hemd zum Trocknen in den leichten Wind, lese mein Buch zu Ende: „Keyserlings Geheimnis“.

Göttlich, wie Klaus Modick schreibt: „Der Frühling funkelte in den Kelchen der Blumen, im Lächeln der Frauen, im Ruf der aus Afrika zurückkehrenden Zugvögel. Wiesen und Felder schwanken beschwipst im Licht.“ Wunderschön. Macht Lust auf Frühling. Wenn ich nur so dichten könnte wie Modick, einer meiner Lieblingsschriftsteller. Er porträtiert Eduard Graf von Keyserling, den Dandy aus baltischem Adel, der zwischen München, Wien und dem Kurland, woher er stammt, lustwandelt. Wann? Ende 19. Jahrhundert. Es geht um Liebe. Lüge, Leidenschaft.

Das Hemd trocknet in einer halben Stunde. Es ist nicht mehr so schwül, die Einheimischen erzählen, wir hätten ohnehin eine ungewöhnlich heiße, schwüle Phase erwischt. Um 17.10 Uhr taucht die Sonne im See ab, um 17.25 Uhr ruft der Muezzin. Von weit her aus den Moscheen ist er zu hören, im Park gibt es eine Moschee für Männer und eine für Frauen, dann auch über die Lautsprecher im Park. Danach, in der Dunkelheit, wird es immer voller. Viele Menschen strömen vom Villaggio herüber in den Park, picknicken, lassen ihre Kinder herumtollen.

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