Kanurennsport Fahnenträger Ronald Rauhe – Abschied mit 40

Gold-Quartett: Der deutsche Kajak-Vierer mit Max Rendschmidt, Ronald Rauhe, Tom Liebscher und Max Lemke (von links).
Gold-Quartett: Der deutsche Kajak-Vierer mit Max Rendschmidt, Ronald Rauhe, Tom Liebscher und Max Lemke (von links).

Ronald Rauhe, der zweimalige Kanu-Olympiasieger, hat mit 40 Jahren seine beachtenswerte Karriere beendet. Der Weg nach Tokio war herausfordernd, jetzt nimmt er sich mehr Zeit für die Familie. Er weiß, was er will – und was nicht.

Wortfetzen aus einem fiktives Gespräch am Ufer der Havel in Potsdam: „Wie, der Ronny hört auf? Wirklich? Gibt’s ja gar nicht.“ Gibt’s aber doch! „Hallo, ich bin 40. Ich hab’ länger gemacht als geplant. Ich hatte das Karriereende mit 30 geplant oder spätestens nach Rio. Aber da merkte ich, dass Feuer da ist“. Sagt Ronald Rauhe im Advent 2021. Zudem hatte ihn seine Frau Fanny, die Nichte von Kanulegende Birgit Fischer, nach den Spielen 2016 zum Weitermachen überredet. Bis hin zum Olympiasieg in Tokio. Welch ein Triumph!

Aber jetzt ist das Feuer erloschen. Ronny Rauhe ist froh drum, „sonst hätte ich nicht nur mit meinem Körper ein Problem, sondern auch mit meiner Familie“. Ins berühmte Loch indes ist er nicht gefallen. „Ich dachte echt, ich käme mehr dazu, Sport zu treiben. Was mir auffällt und was ich genieße: Ich muss nicht mehr ins Boot bei dem Wetter wie jetzt. Ich geh’ einfach in den Kraftraum.“

Schon 2004 Gold im Zweierkajak

Das ist der Luxus eines 40-Jährigen, der mit 16 WM-Titeln der deutsche Vorzeigekanute ist. Der erfolgreichste. Von fünf seiner sechs Olympischen Spiele brachte er Medaillen mit nach Hause, nur aus London 2012 nicht. In Athen 2004 holte er im K2 mit Tim Wieskötter seinen ersten Olympiasieg, jetzt im K4 mit Max Rendschmidt, Tom Liebscher und Max Lemke seinen zweiten. Daraufhin adelte ihn der Deutsche Olympische Sportbund zum Fahnenträger. „Die Fahne aus dem Stadion zu tragen, das ist für mich neben der Goldmedaille die Krönung“, sagte Rauhe noch in Tokio.

Schluss, aus, vorbei. Jetzt gehört die Zeit der Familie, vor allem seinen beiden Söhnen Till (7) und Leo (5). „Wir sind naturnah, sind viel draußen“, sagt Rauhe mit einem breiten Grinsen. Sie erzählen viel miteinander, gehen Baumhäuser bauen, Fußball spielen und noch viel mehr. Dort in Falkensee, wo sie leben. Im Speckgürtel Berlins.

Entzündung im Handgelenk verheimlicht

Ronald Rauhe lässt noch einmal die letzten Monate wie einen Film vorbeiziehen. Sie waren hart und voller Entbehrungen, schmerzhaft vor allem wegen der Pandemie. „Wir waren vor dem Juli 2020 schon ein Jahr lang auf höchstem Niveau, dann wurden die Spiele verlegt. Das Ganze aber zu wiederholen, ohne dem Körper eine Pause zu gönnen, boah, das habe ich doll gemerkt“, erinnert er sich an extreme Momente. Dazu kam, was er keinem sagte: „Im Vorfeld war alles auf Kante genäht. Ich hatte eine Entzündung im Handgelenk, wurde gespritzt, im letzten Trainingslager vor Tokio konnte ich zwei Wochen nicht belasten, nicht mal Zähne putzen.“ Dass auch ein Gabelstapler das Wunderboot, den K4, zerstörte – ach geschenkt. Das Quartett siegte knapp vor Spanien.

Gerade in Coronazeiten im Team zu arbeiten, war herausfordernd. „In 18 Monaten vier Leute unter einen Hut zu kriegen, war spannend. Von jedem hat man kleine Probleme mitbekommen. Eine Lebenserfahrung, die ich nicht missen möchte“, sagt Rauhe, der sich als Taktgeber, als Antreiber, als Vorbild sieht. „Die Jungs sollen mich wegen meiner Leistung anhören, zu mir aufschauen. Hätte ich mich rückwärts entwickelt, dann hätte ich mich nicht ins Boot gesetzt“, sagt er rückblickend.

Erst Sportsoldat, jetzt Berufssoldat

Nach 16 Jahren als Sportsoldat wird er nun Berufssoldat. „Das gibt mir eine große Sicherheit. Ich habe viele Pläne, mich dem Sport zu widmen, aber als Trainer will ich nicht arbeiten. Ich will mal raus aus dem System“, sagt er und ergänzt: „Sport ist nicht nur Leistungssport. Sport ist eine Möglichkeit, in unserer Gesellschaft wieder mehr an Werten mitzugeben. Gerade in der Pandemiezeit hat man gesehen, dass wir das davor in Deutschland schon mal besser konnten, sozialer waren, rücksichtsvoller und solidarischer.“

Er meint, die Politik habe „ganz unten zu wenig“ geleistet, im Nachwuchsbereich oder im Breitensport. Mit 40 und als Vater sieht Ronald Rauhe die Zeit gekommen, sie etwas mehr der Gemeinschaft zu widmen. Sport und Gesundheit – dieses Thema reizt ihn. Da brennt ein neues Feuer!

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