Sport Auf den Rausch folgt der Kater

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Gelsenkirchen. Famos gekämpft – und ausgeschieden. Der FC Schalke 04 hat Ajax Amsterdam im Rückspiel des Europa-League-Viertelfinales mit 3:2 nach Verlängerung geschlagen, dem Gast aber reichte das 2:0 aus dem Hinspiel zum Einzug in die Runde der letzten vier Teams. Gegner dort: Olympique Lyon.

Klaas-Jan Huntelaar zuckte ein paar Mal. Er war auf dem Sprung. Doch es gab noch ein paar Fragen, letztlich aber immer die gleich Antwort. Nach dem letzten „Das ist so bitter“ nahm der Stürmer, der höchstwahrscheinlich zum letzten Mal für Schalke 04 in einem internationalen Wettbewerb aufgelaufen war, dann die Rolltreppe hoch aus dem Kabinentrakt. Er verpasste Leon Goretzka nur knapp. Der Freitag war eine knappe halbe Stunde alt, als der Mittelfeldspieler die Treppe herunterging. Er war aus dem Krankenhaus gekommen. Auf die Frage, wie es gehe, nickte er kurz, die Kapuze seines Trainingsanzugs tief im Gesicht. Unten sprach er sogar: „Ich habe mir zweimal den Kiefer ausgerenkt und eine Gehirnerschütterung zugezogen.“ Goretzka war Ende der ersten Halbzeit mit dem Torwart von Ajax zusammengeprallt, wurde benommen vom Feld geführt. „In der Kabine hat er sich mehrmals übergeben. Aber er wollte unbedingt weiterspielen“, berichtete Trainer Markus Weinzierl. Die Symptome einer Gehirnerschütterung waren klar zu erkennen gewesen. Ärzte und Wissenschaftler warnen seit Langem davor, Kopfverletzungen im Sport zu unterschätzen. Goretzka aber setzte seinen Willen durch. Er schoss sogar das 1:0 und war auf dem Weg, zum „Eurofighter“ der Moderne zu werden. Doch der Traum, wie die legendäre Mannschaft 1997 als Außenseiter den kleineren europäischen Wettbewerb zu gewinnen, platzte. „Der Fußball ist nicht gerecht“, klagte Benedikt Höwedes, „110 Minuten war es ein Freudentaumel seinesgleichen.“ Dann habe „Ajax mit der einzigen Chance, die sie noch gekriegt haben“, das 1:3 erzielt. Es hätte wegen des 2:0 im Hinspiel schon für Ajax gereicht. Höwedes war noch voller Adrenalin, daher musste ihm verziehen werden, dass in der Wahrnehmung einiges falsch war. Das so wichtige Auswärtstor hatte Schalkes Torhüter Ralf Fährmann schon vor dem Treffer von Nick Viergever in der 111. Minute mehrmals mit prächtigen Paraden verhindert. Abgesehen von einem fulminanten Start Schalkes kontrollierte Ajax die Partie in der ersten Hälfte. Die zweite Hälfte und Teile der Verlängerung gingen an Schalke, das ab der 80. Minute in Überzahl spielte. Die desolate Leistung im Hinspiel hinzugezogen, als Fährmann herausragte, ergibt sich ein gerechter Sieger des Vergleichs. Der Rausch der knappen Stunde, in der Schalke sich mit leidenschaftlichem Einsatz und auch spielerischer Klasse einen Vorteil erspielte, drängte die nüchterne Analyse in den Hintergrund. „Um ehrlich zu sein, fehlen mir derzeit die Worte“, sagte Daniel Caligiuri, um dann doch eine Erklärung zu versuchen: „Vielleicht hätten wir den einen oder anderen Ball in der Verlängerung ruhiger spielen können.“ Das hörte sich gut an, doch Spieler wie Sead Kolašinac, der zuvor wegen einer Verletzung pausiert hatte, waren körperlich schon nach 90 Minuten am Limit. Ajax suchte sein Glück mit dem Wissen, nichts mehr verlieren zu können. „Was für eine Scheiße“, brachte ein Mitarbeiter der Schalker hervor, nachdem er minutenlang paralysiert mit den Journalisten auf die Spieler gewartet hatte, um von ihnen Erklärungen zu hören. Von Benedikt Höwedes gab es sogar noch eine Einordnung des größeren Zusammenhangs: „In der Liga sind wir weit weg von dem, was wir uns vorgenommen haben. Der Europapokal war die Chance, dies vergessen zu machen.“ Vier Punkte Rückstand auf den Tabellensechsten der Bundesliga, vielleicht auch nur drei auf den Siebten müssen die Schalker wettmachen, um wieder die Chance zu haben, sich für die Europa League zu qualifizieren. Morgen Nachmittag kommt RB Leipzig nach Gelsenkirchen.

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