Fußball Zwei Top-Funktionäre im Sommermärchen-Prozess: Szenen keiner Ehe
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Selbst auf der Anklagebank ist Wolfgang Niersbach der Mann im Hintergrund. Aus dieser Position heraus kann der ehemalige Präsident des Deutschen Fußball-Bundes den Blick nicht von dem Mann lassen, dem er als oberster Fußballfunktionär nachfolgte. Mit Argusaugen beobachtet er ihn, immer wieder verschränkt Niersbach dabei die Arme vor der Brust. Was hat Theo Zwanziger diesmal vor? Welche Vorwürfe breitet er nun aus, welche Attacke reitet er im Sitzungssaal des Frankfurter Landgerichts? Er, der seinen einstigen Generalsekretär, Kumpel und Kompagnon, immer wieder an den Pranger stellte, ihn womöglich gar komplett zerstören wollte. Oder will?
Mehr als 40 Minuten spricht Zwanziger an diesem Vormittag, taucht ein in die Steuertheorie, belehrt Gericht wie Ermittler und lässt kein gutes Haar an der hessischen Staatsanwaltschaft. Auffallend oft nennt der 78-Jährige Niersbachs Namen. Er lobt die Bewerbung um die Weltmeisterschaft 2006, die er federführend mit Horst R. Schmidt auf die Beine gestellt hat. Eine „Meisterleistung“ sei das gewesen, „akribisch, ein ungeheurer Aufwand, kostenträchtig“. Zwanziger selbst ist erst später zum Organisationsteam gestoßen, während des „Sommermärchens“ führte er gemeinsam mit Gerhard Mayer-Vorfelder den Verband, wenig später wurde er zum Alleinherrscher des DFB. Nun sagt er: „Ich habe heute deutlich die Betroffenheit von Horst R. Schmidt und Wolfgang Niersbach erlebt.“ Der Prozess, das seit Jahren laufende Verfahren, setzt dem 73-Jährigen und dem 82-jährigen Schmidt zu, äußerlich wie innerlich.
Für den Bruchteil einer Sekunde zeigen Niersbachs Mundwinkel in diesem Moment nach oben, es ließe sich als Lächeln deuten. Reicht ihm sein großer Widersacher jetzt, wo die drei Altfunktionäre des DFB gemeinsam wegen Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall angeklagt sind, die Hand? Oder ist es Anbiederung, womöglich Kalkül? Ende Oktober 2015, als die Sommermärchen-Affäre gerade aufgeflogen war und Niersbach um sein Amt kämpfte, hatte Zwanziger die Existenz einer „schwarzen Kasse“ im Magazin „Der Spiegel“ als „eindeutig“ bezeichnet. Für ihn war „klar, dass der heutige DFB-Präsident davon nicht erst seit ein paar Wochen weiß, wie er behauptet, sondern schon seit mindestens 2005. So wie ich das sehe, lügt Niersbach“. Es war der Höhepunkt einer Feindschaft unter DFB-Männern.
Wie ein Popstar empfangen
Rückblende: Das Vereinsgelände des TSV Lämmerspiel, zwischen Frankfurt und Hanau gelegen, März 2012. Es ist der erste öffentliche Auftritt von Wolfgang Niersbach „an der Basis“, wie er sagt, bei einem Amateurverein. Zwei Wochen lang ist er da DFB-Präsident, nun ist er auf der Suche nach einem Profil. Eine ganze Schar Jugendspieler wartet auf seine Ansprache, ebenso deren Eltern und Bürger des Mühlheimer Stadtteils. Nervös sei er bei der Anfahrt gewesen, sagt Niersbach. Ob die Menschen in Lämmerspiel ihn überhaupt kennen würden, ob sie feiern und klatschen könnten, habe er sich gefragt. Diese bürokratische Distanz konnte er nie ganz ablegen.
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