Rheinland-Pfalz Zwei Haftbefehle als strittiger Punkt

Letzte Station vor Abschiebungen: Aufenthaltsraum für „rückzuführende Frauen und Männer“ am Flughafen.
Letzte Station vor Abschiebungen: Aufenthaltsraum für »rückzuführende Frauen und Männer« am Flughafen.

«Ludwigshafen.»Polizeibeamte haben gestern früh in der Evangelischen Stadtmission in Ludwigshafen ein Kirchenasyl zwangsgeräumt. Sie nahmen eine dreiköpfige Familie, die dort seit Ostern Schutz gefunden hatte, mit. Die Kopten aus Ägypten sollten gestern vom Stuttgarter Flughafen aus abgeschoben werden.

Es war 7 Uhr früh, als vor der Evangelischen Stadtmission in Ludwigshafen drei Mitarbeiter der Ausländerbehörde des Landkreises Birkenfeld und etwa fünf Polizeibeamte auftauchten. Die Kreisverwaltung in Birkenfeld hatte die Räumung des Kirchenasylortes und die Abschiebung des 32-jährigen Ägypters, seiner 26-jährigen Ehefrau und sechsjährigen Tochter beantragt. In dem Landkreis im Hunsrück hat die Familie bis kurz vor Ostern gelebt. Einen von der Kirche eingebrachten Eilantrag auf „einstweilige Anordnung der Untersagung der Abschiebung“ beschied das Verwaltungsgericht Trier gestern Mittag negativ. Der erste Asylantrag der koptischen Familie war im Januar 2016 abgelehnt worden, der Folgeantrag ebenfalls. Eine Abschiebung stand bevor. Strittiger Punkt in dem Asylverfahren waren zwei Haftbefehle, die gegen den Familienvater in seinem Heimatland ausgestellt wurden – wegen Missionierung, Missachtung des Propheten und Teilnahme an einer Demonstration gegen das Militär. Die Dokumente legte der Ägypter aber erst nach der Ablehnung seines Asylantrages vor. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gehe davon aus, dass die Schreiben gefälscht sind, sagte Reinhard Schott, Integrationsbeauftragter der pfälzischen Landeskirche und der Diakonie Pfalz. Um diese Frage zu klären, hat Schott das Kirchenasyl in der evangelischen Stadtmission unterstützt. Die Deutsche Botschaft in Kairo sollte die Echtheit der ägyptischen Haftbefehle gegen den Familienvater prüfen. Doch gestern überstürzten sich die Ereignisse. Am Morgen erfuhr Schott von der Razzia und zeigte sich über das Vorgehen des Landrats von Birkenfeld „verstört“: Obwohl noch keine Ergebnisse aus Kairo vorlagen, habe der Landrat am Verwaltungsgericht Neustadt die Durchsuchung der kirchlichen Räume und die Abschiebung der Familie erwirkt. Gestern Mittag erhielt Schott vom Auswärtigen Amt die Nachricht, „dass eine Überprüfung der Dokumente mittlerweile stattfand. Die Kreisverwaltung Birkenfeld wird in den nächsten Tagen von der Botschaft über das Ergebnis der Überprüfung informiert“. Und wie lautet das Ergebnis? Darüber gab das Amt laut Schott keine Auskunft. Bei der Kreisverwaltung Birkenfeld fühlt man sich im Recht: Die Ausreisepflicht der Familie bestehe seit September 2016, nachdem sie erfolglos vor dem Verwaltungsgericht Trier und dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz gegen den ablehnenden Asylbescheid des BAMF geklagt hatte. Da die Familie nicht zu einer freiwilligen Ausreise bereit gewesen sei, war laut Kreisverwaltung „eine Rückführung“ für Anfang April vorgesehen. Die scheiterte, da die Familie nicht in ihrer Wohnung im Landkreis Birkenfeld angetroffen wurde. Am 17. April habe die Evangelische Kirche der Pfalz mitgeteilt, dass sich die Familie im Kirchenasyl in Ludwigshafen befinde, um die Echtheit der Haftbefehle prüfen zu lassen. Eine Anfrage am 19. April an die Botschaft in Kairo zu dem Fall habe ergeben, „dass dort keine Anfrage der Evangelischen Kirche in dieser Sache bekannt war“, schreibt die Kreisverwaltung. Der Integrationsbeauftragte Schott kann sich nicht erklären, „in welchem Nirwana der Botschaft seine Mail gelandet ist“. Nach weiteren Mails habe er am 21. April aber die Nachricht vom Auswärtigen Amt erhalten, dass die „Haftbefehlsfragen“ auf Anfrage der Kreisverwaltung Birkenfeld bereits bearbeitet würden. Da für die Kreisverwaltung Birkenfeld nach eigenen Angaben „die Dauer einer Überprüfung nicht absehbar gewesen sei“, bat sie den Integrationsbeauftragten, das Kirchenasyl zum 28. April zu beenden. Eine Reaktion auf das Schreiben sei nicht erfolgt. Die rheinland-pfälzische Integrationsministerin Anne Spiegel bedauerte die Vorkommnisse in Ludwigshafen „außerordentlich“. „Dieser erneute Fall, in dem die Polizei Kirchenräume durchsucht und dieses Mal sogar die ausreisepflichtigen Personen festgesetzt hat, ist höchst bedauerlich. Ich hätte mir gewünscht, dass es nicht so weit kommt.“ Im März machte die Polizei eine Razzia in Kirchenräumen der katholische Gemeinde in Budenheim, obwohl das Kirchenasyl für einen Syrer beendet war. Der Mann ist untergetaucht. Aufgrund des zweiten Konfliktfalls binnen kurzer Zeit appellierte Spiegel an alle Beteiligten, „Kirchenasylfälle mit der notwendigen Umsicht zu behandeln und Eskalationen zu vermeiden“. Im Bereich der pfälzischen Landeskirche gibt es derzeit noch drei Fälle von Kirchenasyl, teilte Schott mit. Gestern Abend sollte das Flugzeug mit der koptischen Familie an Bord in Stuttgart Richtung Ägypten abfliegen. Einwurf

x