Rheinland-Pfalz „Wohlfühlen steigert die Motivation“

ALBIG (rö). Das Weingut Jung und Knobloch im rheinhessischen Albig ist ein echter Familienbetrieb in doppeltem Sinn: Er wird nun schon in der siebten Generation geführt – und auch die Beschäftigten können sich alle wie in einer großen Familie fühlen. Dazu gehört, dass auch jene darunter, die sich mit manchem schwerer tun als andere, gefördert werden. Für sein vorbildliches Engagement für den beruflichen Nachwuchs wurde das Gut vom Deutschen Bauernverband (DBV) als „Ausbildungsbetrieb des Jahres 2014“ ausgezeichnet.

Melanie und Tobias Jung wollen – ebenso wie zuvor schon ihre Eltern – als Arbeitgeber „allen eine Chance geben“. In ihrem Betrieb würden „sowohl leistungsstarke wie auch leistungsschwächere junge Menschen eine hervorragende Ausbildung erfahren“, lobte die Jury. Insbesondere dies hat sie bei der Auswahl des Preisträgers überzeugt. Sie bescheinigte ihm, seit fast vier Jahrzehnten „mit großer Überzeugung und hohem persönlichen Engagement“ Winzer und Landwirte auszubilden. Vor 39 Jahren begann man damit im früheren Weingut Knobloch, das sich mittlerweile mit dem Spiesheimer Weingut Jung zusammengeschlossen hat: Rund ein Jahrzehnt nach der Hochzeit des jetzigen Betriebsleiterpaares, wurden auch dessen elterliche Betriebe miteinander „verheiratet“. Heute bewirtschaftet man rund 60 Hektar Weinberge und 130 Hektar Ackerland mit Zuckerrüben, Weizen und Gerste. Gutes und zuverlässiges Personal ist da unerlässlich, wenn man auf Erfolgskurs bleiben will. Klar, dass die Jungs sich deshalb als Azubis zum einen gern Bewerber aussuchen, denen sie zutrauen, die nötigen Fähigkeiten und Voraussetzungen dafür mitzubringen. So haben sie schon einige zu späteren Führungskräften ausgebildet. Doch andererseits bieten sie auch immer wieder Lehr- und Arbeitsstellen für Interessenten, die ansonsten schlechtere Karten auf dem Arbeitsmarkt haben – sei es nun wegen unzureichender Schulnoten oder aus anderen Gründen. „Wenn die Rahmenbedingungen stimmen und sie zudem ein gutes Wort bekommen, können auch sie sich zu guten Arbeitskräften entwickeln“, berichtet die gelernte Agrarbetriebssekretärin Melanie Jung von Erfahrungen mit Leistungsschwächeren. Bei diesen vorhandenes Potenzial „wachzukitzeln“, mache richtig Spaß. „Und wenn die Betreffenden dann entdecken, was in ihnen steckt, strahlen sie.“ Sie seien glücklich, Wertschätzung zu erfahren. Auf dem richtigen Weg sehen sich die Jungs mit ihren Bemühungen, weil diese zumeist auf fruchtbaren Boden fallen: So seien einige im Team zwar ohne Schul- und Berufsabschluss, hätten aber viel bei ihnen gelernt – „und sind für uns vollwertig und wertvoll“, betont das Ehepaar. Bisher hätten sie lediglich in einem Fall eine Enttäuschung erlebt. Gerade im Weinbau gebe es vielfältige Möglichkeiten, Lernschwächere zu unterstützen, erklärt Tobias Jung. Denn hier sei – anders als in der heute „sehr stark technisierten“ Landwirtschaft – noch viel Handarbeit gefragt, so der Diplom-Ingenieur für Weinbau und Oenologie, der übrigens den Winzerberuf selbst einst bei Knoblochs erlernte. Erfreulich ist für die Jungs grundsätzlich auch, wie positiv ihre anderen Mitarbeiter zur Einbindung Lernschwächerer stehen: „Die betriebliche Gemeinschaft und unsere gut ausgebildeten Kräfte tragen das gerne mit.“ Das liegt wohl mit daran, dass „das Menschliche“– wozu auch die Senioren der Familie bis hin zur 89-jährigen Uroma beitragen – generell besonders hohen Stellenwert in dem Weingut hat. Dazu zählt, dass man, soweit möglich, gemeinsam an einem langen Tisch zu Mittag isst. Nicht nur bei dieser Gelegenheit wird gern miteinander geredet und viel gelacht – das gehört auch beim fleißigen Arbeiten zwischendurch dazu. „Das Wohlfühlen steigert die Motivation bei allen“, versichert Melanie Jung. Das zeige sich auch daran, dass man extrem wenige Krankheitstage zu verzeichnen habe und es im Grund „keinen Blick auf die Uhr“ gebe, merkt ihr Mann an. „Alle fühlen sich wie eine Familie.“ Und dies alles wiederum trägt zum Erfolg des Weinguts bei, das für seine Erzeugnisse schon zahlreiche Auszeichnungen erhalten hat. Wie sehr das gute Betriebsklima geschätzt wird, hört man bei einem Rundgang durchs Gut von vielen Mitarbeitern. Zum Beispiel von Kellermeister Jan Bätz, der selbst früher ein Jahr hier gelernt hat, noch bei Seniorchef Knobloch – und danach immer Kontakt hielt, während des Studiums in den Semesterferien gern mal zum Arbeiten an seine alte Lehrstätte kam. Nun bildet er selbst hier die Winzerlehrlinge aus. „Die Jugendarbeit macht mir riesigen Spaß“, sagt er. Am Weingut – das etwa die Hälfte der Produktion in Flaschen vermarktet – gefällt ihm unter anderem, dass „der Betrieb so groß ist und man sich gut entfalten kann“. Derzeit hat der Betrieb 14 fest angestellte Mitarbeiter, darunter drei Auszubildende, sowie Aushilfskräfte. Zumal in den nächsten zehn Jahren noch Bedarf an Fachkräften bestehe, habe er immer ein Auge darauf, wie sich Azubis entwickeln, „um zu sehen, wer eventuell mal einsteigen könnte“, erklärt Jung. „Ein weiter Blick vom Säen, Wachsenlassen und Ernten“ begleite die Ausbildung. Der 41-Jährige verhehlt dabei nicht, dass man es als Lehrherr nicht immer leicht hat. Eine gute Ausbildung fordere vom Betrieb „ihren Preis, in Form von Zeit und Geduld“, doch sollte man sie „als nachhaltige Investitionschance sehen und nutzen“ meint er – damit auch an seine Berufskollegen appellierend. Interesse für einen Beruf in Landwirtschaft und Weinbau wecken und ein Bewusstsein für die Leistungen dieser Branchen schaffen helfen, möchten die Jungs auch mit Angeboten für Kinder und Jugendliche: So organisieren sie jährlich eine umfangreiche Projektwoche für Schüler eines Mainzer Gymnasiums, zudem laden sie Schulklassen und Kindergartenkinder zur Traubenlese ein. Und wie steht′s mit der Neigung des eigenen Nachwuchses irgendwann in beruflicher Hinsicht die Familientradition fortzuführen? Tobias Jung zeigt sich „zuversichtlich entspannt“, dass der Betrieb mal übernommen wird. Der ältere, 13-jährige Sohn Johannes wünsche sich bereits, später in Landwirtschaft oder Weinbau einzusteigen. Und das Kleinste der drei Geschwister, der erst zwei Jahre alte Lukas, interessiere sich wie der große Bruder „schon jetzt riesig für alle Traktoren“, sagt sein Vater zufrieden schmunzelnd.

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