Rheinland-Pfalz Weniger Abtreibungen

Schwanger? Was für die einen größtes Glück bedeuten würde, ist für andere eine Katastrophe.
Schwanger? Was für die einen größtes Glück bedeuten würde, ist für andere eine Katastrophe.

Die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche bei Rheinland-Pfälzerinnen hat 2017 einen Tiefstand erreicht. Die medizinische Versorgungslage für ungewollt Schwangere gerät allerdings in Kritik. In der Pfalz scheint die Versorgung dabei besser zu sein als im Rest des Landes.

«Mainz». Laut Statistischem Bundesamt haben im Jahr 2017 insgesamt 3759 Frauen mit Wohnsitz in Rheinland-Pfalz eine Schwangerschaft abgebrochen, ein Prozent weniger als im Vorjahr und 6,3 Prozent weniger als 2013. Im Ländervergleich, für den die Anzahl der Abtreibungen pro 10.000 Einwohnerinnen in gebärfähigem Alter herangezogen wird, wurden nur in Bayern und Baden-Württemberg weniger Abtreibungen als in Rheinland-Pfalz vorgenommen – wie auch schon in den Jahren zuvor. Zur Anzahl der Abtreibungen pro 1000 Geburten liegen noch keine Daten vor. Das Mainzer Familienministerium sieht die Gründe für die positive Entwicklung in guten Beratungsangeboten und Präventionsmaßnahmen. Auch der rheinland-pfälzische Landesverband von Pro Familia, einem Verbund von Beratungsstellen für Familienplanung und Sexualpädagogik, deutet die Zahlen als einen Erfolg der Prävention. „Die Anfragen von Schulen sind enorm, bis Ende des Jahres sind wir ausgebucht“, stellt Landesverbandsgeschäftsführer Markus Bürger fest. Bürger sieht in den Zahlen des Statistischen Bundesamts jedoch auch ein Indiz für eine unzureichende medizinische Versorgung im Land. Mehr als ein Viertel der Schwangerschaftsabbrüche bei rheinland-pfälzischen Frauen wurde nicht in Rheinland-Pfalz, sondern in einem anderen Bundesland vorgenommen – vor allem im Saarland, in Hessen und Nordrhein-Westfalen. Der Anteil von Abtreibungen in einem anderen Bundesland ist bei rheinland-pfälzischen Frauen damit deutlich größer als bei Frauen aus anderen Ländern. Laut Pro Familia mangelt es im Land an Frauenärzten, vor allem an solchen, die auch Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. „Der Druck auf die Ärzte und Ärztinnen hat stark zugenommen und die Möglichkeiten, wohnortnah einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen, haben deutlich abgenommen“, beschreibt Bürger die Erfahrungen der Beratungsstellen. Gynäkologische Abteilungen in Kliniken würden geschlossen, wenn sie die vorgeschriebene Geburtenzahlen nicht mehr erreichen. Und viele der bei Pro Familia gelisteten Ärzte führten entweder keine Abbrüche mehr durch oder gingen in Rente, Ersatz komme aber nicht nach, so Bürger. Diese Entwicklung habe einerseits mit Anfeindungen und Diffamierung durch Abtreibungsgegner zu tun, sei mit Sicherheit aber auch auf die Ausbildung zurückzuführen: Dort werde das Thema Schwangerschaftsabbruch überhaupt nicht behandelt, kritisiert der Geschäftsführer des Pro-Familia-Landesverbands. „Es gibt rund 500 niedergelassene Frauenärzte in Rheinland-Pfalz, darunter viele Angestellte ohne eigene Praxis“, berichtet Rüdiger Gaase, rheinland-pfälzischer Landesvorsitzender des Berufsverbands der Frauenärzte (BVF). Auch seiner Einschätzung nach nehmen nur noch wenige Praxen Schwangerschaftsabbrüche vor – wobei es auch früher niemals viele gewesen seien. „Ethisch-moralisch ist das ein schwieriges Thema“, gibt Gaase zu bedenken. Dazu komme Druck durch die gesetzlichen Vorgaben, strafrechtliche Verfolgung, sowie der Druck durch Abtreibungsgegner, der „immer schlimmer“ werde. Ob mehr Praxen Abbrüche durchführen würden, wenn das Werbeverbot nach Paragraf 219a Strafgesetzbuch abgeschafft oder reformiert würde, schätzen Bürger und Gaase unterschiedlich ein. „Wir sind uns sehr sicher, dass das die Situation verbessern würde, wenn auch nicht sofort“, sagt der Landesgeschäftsführer von Pro Familia. „Ich glaube, da wird sich nicht viel ändern“, sagt dagegen der Landesvorsitzende des BVF Rheinland-Pfalz: Weil das nichts an den ethisch-moralischen Bedenken ändere. 14 Ärzte und sieben Kliniken, die in Rheinland-Pfalz Abtreibungen vornehmen, führt der hiesige Pro Familia Landesverband aktuell auf seiner Liste – „ohne Gewähr und Garantie auf Vollständigkeit“, wie Bürger betont. Da sich die Ärzte selten von sich aus bei Beratungsstellen meldeten und das Land keine Informationen veröffentliche, müsse Pro Familia die Liste selbst zusammenstellen. In der Pfalz ist die medizinische Versorgungslage für ungewollt Schwangere laut Bürger vergleichsweise zufriedenstellend. Zehn Ärzte und zwei Kliniken, die auf der Pro-Familia-Liste aufgeführt sind, haben ihren Sitz in der Pfalz. Vor allem um Ludwigshafen und Kaiserslautern bewertet Bürger die Versorgungslage als „nicht schlecht“. Im Raum Landau dagegen gingen ungewollt Schwangere für Abtreibungen oft über den Rhein. Kommentar

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