Rheinland-Pfalz Sturm auf den Steamcracker

Wenn schlecht gelaunte Spatzen, Möwen und Krähen in großer Menge herbeiflattern, droht Ärger. Das wissen wir, seit Alfred Hitchcock seinen Horror-Klassiker „Die Vögel“ drehte. Kein Wunder also, dass außer weißen Schön-Wetter-Wolken nur harmlose Störche übers BASF-Gelände fliegen. So jedenfalls zeigt es der neue Multimedia-Tisch im Besucherzentrum des Ludwigshafener Stammwerks – die Gäste sollen sich ja wohlfühlen. Wer den Bildschirm des High-Tech-Prunkstücks betatscht und bewischt, bekommt jede Menge Informationen über Geschichte und Gegenwart des Geländes sowie der benachbarten BASF-Standorte Lampertheim (für Orientierungslose: das ist ein Ortsteil der Mannheimer Ikea-Filiale) und Limburgerhof im Rhein-Pfalz-Kreis. Außerdem findet der Besucher heraus, dass Störche und Wolken immer nur von Mannheim aus übers Werksgelände schweben. Immerhin: Ein bisschen mehr Action bekommt der Betrachter schon noch geboten. Er sieht gelegentlich, wie ein Schiff den Rhein entlangschippert, anlegt und entladen wird. Und manchmal flackert auf dem Gelände sogar ein Feuerchen auf. Dann rücken an allen Ecken des Standorts kleine rote Autos aus. Doch keine Angst, daraus wird keine Ludwigshafen-Neuauflage des Pyromanen-Dramas „Backdraft – Männer die durchs Feuer gehen“ (USA 1991). Der Brand ist geplant, denn er lodert auf dem Übungsplatz der Werksfeuerwehr. Und schnell gelöscht ist er obendrein. Weil sich der Besucher wohlfühlen soll, verbietet es sich auch, andere cineastische Meilensteine ins BASF-Werk zu verlegen. „Fabrik des Todes“ (USA 2002, eine Forscherin verwandelt sich in ein blutrünstiges Monster und tötet ihre Kollegen) scheidet ebenso aus wie „Attack of the Undead“ (USA 2010, nach einer Explosion in einer Chemiefabrik verwandeln giftige Gase die Anwohner in Killer, die sich gegenseitig in Stücke reißen). Aber wenigstens der Sonntagabend-Krimi-Klassiker aus Ludwigshafen könnte den Multimedia-Tisch noch bereichern, ist er doch in der Regel nur mäßig aufregend. Allerdings: Der Lena-Odenthal-Tatort „Tod im Häcksler“ provozierte 1991 sogar eine Landtagsdebatte, weil die Pfalz so rückständig rüberkam. Vielleicht sollte die BASF lieber eine Idee aufgreifen, die aus den Reihen ihrer Ausstellungsmacher stammt, sich bislang aber nicht durchsetzen konnte: Godzilla taucht aus dem Rhein auf und greift das Werksgelände an. Gemeinsam würden Werksfeuerwehr und Werksschutz mit der Bestie natürlich viel schneller fertig als die vielen amerikanischen Soldaten und wenigen französischen Geheimdienstleute bei Roland Emmerich (USA/Japan 1998). Doch im Umkehrschluss bedeutet das: Da kommt auch nicht mehr Spannung auf als mit Störchen und Schön-Wetter-Wolken. Wie wäre es mit einem packenden Helden-Epos, das zugleich aktuell auf die weltpolitische Lage eingeht? Horst Seehofer macht den Putin und entdeckt, dass Bayern auf die Pfalz mindestens ebenso gut historische Ansprüche erheben kann wie Russland auf die Krim. Deshalb sickern Spezialeinheiten der Gebirgsschützen sowie der Freiwilligen Feuerwehr Altötting bei der BASF ein, bringen sie unter ihre Kontrolle und hissen die weiß-blauen Rauten auf dem Steamcracker. „Die Rückkehr der Pfalz ins Gelobte Land“ (Bayern 2014) – damit entsteht für den Multimediatisch zwar ein komplett neuer Film, aber ein fulminanteres Happy-End kann der Chemiekonzern seinen Besuchern nicht bieten. Wer sich damit nicht wohlfühlt, soll sich mit schlecht gelaunten Spatzen, Möwen und Krähen herumschlagen.

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