Rheinland-Pfalz Radler geben Neustadt mieseste Note

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Ingelheim/Neustadt (yah). Beim Fahrradklima-Test des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) ist Ingelheim klarer Landessieger. Neustadt hingegen ist das Schlusslicht der rheinland-pfälzischen Städte. Benotet wurden die von den Fahrradfahrern selbst. Für den ADFC sind die Ergebnisse nicht überraschend, gibt es doch klare Kriterien, an denen der Fahrrad-Club die Fahrradfreundlichkeit der Städte festmacht.

Erich Dahlheimer bekommt in letzter Zeit Anrufe aus anderen Städten. Und auch Besucher kündigen sich gelegentlich an. Sie alle wollen wissen: Wie macht er das? Dahlheimer ist der Fahrradbeauftragte Ingelheims und mit dafür verantwortlich, dass die Stadt Bestnoten von ihren fahrradfahrenden Bürgern erhalten hat. Reist der wissbegierige Besuch mit dem Zug an, fällt ihm ein wichtiger Bestandteil des Ingelheimer Fahrradkonzepts direkt ins Auge: das Fahrradparkhaus am Bahnhof. Schnelles Abstellen auf dem Weg zum Zug ist hier genauso möglich wie das wetter- und diebstahlgeschützte Parken des Drahtesels. Ingelheim setzt neben dem Fahrradparkhaus noch weitere Schwerpunkte. Die gute Verbindung der Radwege untereinander, über die alle wichtigen Plätze erreichbar sind, gehört dazu, aber auch der Fahrradbeauftragte ist ein Luxus, den nicht alle Städte vorweisen können. Und genau da liegt für den Landesvorsitzenden des ADFC, Christian von Staden, der Städte-Unterschied begründet: „Damit sich etwas tut, müssen zwei Dinge erfüllt sein“, erklärt er. Zum einen sei das die Position des Fahrradbeauftragten, die für ihn „unverzichtbar“ ist, zum anderen sei es die natürliche Eignung der Stadt als Fahrradstadt. Allerdings stehe und falle der Erfolg des Fahrradbeauftragten mit der Zusammenarbeit zwischen ihm und der Stadtverwaltung: „Wenn die Verwaltung nicht will, stirbt der Fahrradbeauftragte nach drei Jahren an Burnout. Wenn aber der Fahrradbeauftragte nicht will, nützen gute Ideen von der Verwaltung gar nichts.“ Neustadt hat keinen Fahrradbeauftragten. In der Stadt, die auch bundesweit bei vergleichbar großen Städten nur auf Platz 96 von 100 landet, hat sich der Arbeitskreis Radverkehrskonzept des Themas angenommen und arbeitet seit November 2013 an Verbesserungen für die Radfahrer. Für einen Arbeitskreis habe man sich entschieden, damit verwaltungsübergreifend alle betroffenen städtischen Abteilungen zusammenarbeiten können, erklärt Martina Pauly, die Projektleiterin des neuen Radwegekonzepts. Weil das aber noch nicht so konkret ist, dass es umgesetzt werden kann, sollen zuvor kurzfristige Änderungen her: Fahrbahnmarkierungen sollen erneuert, Parkplätze für Räder besser ausgewiesen und die Fußgängerzone sowie einige Einbahnstraßen für Radfahrer geöffnet werden. Gerade die Einbahnstraßen für Fahrräder zu öffnen, sei für die Städte ein guter Schritt, die nicht viel Geld zur Verfügung haben, findet von Staden. Und auch Werbung fürs Radfahren sei wichtig: „Es gibt in kaum einer Stadt ein Budget dafür, aber es ist häufig keine Frage des Geldes, sondern des Wollens.“ Wichtig sei, bei allen Änderungen das große Ganze zu sehen. Hier mal ein Fahrradständer, da mal eine neue Markierung führe nicht langfristig zum Erfolg. Eine problematische Herangehensweise, die von Staden in der Vergangenheit bei Neustadt gesehen hat. „Es ist richtig, dass in der Vergangenheit vorwiegend Einzelmaßnahmen realisiert wurden. Ein umfassendes Radverkehrskonzept gab es nicht“, bestätigt Martina Pauly. „Wir haben uns auf den Weg begeben, dies zu ändern.“ Das Ergebnis des Tests sei alles in allem nicht überraschend und die Kritik in Neustadt angekommen: „Das Thema wird hier sehr ernst genommen.“ Fahrradfahrer konnten beim Test für ihre Stadt Noten zwischen 1 und 6 abgeben. Für gut 60 Befragte in Neustadt galt es, Sätze wie „bei uns macht Radfahren Spaß“ oder „bei uns wird viel für das Radfahren geworben“ zu bewerten. Wenn das Telefon von Erich Dahlheimer wieder klingelt, will er gerne weitergeben, was sich in Ingelheim bewährt hat. Auch Neustadt setzt auf Austausch. Wichtige Kontakte seien beim Projekt „Radverkehr in Städten mit Höhenunterschieden“ geknüpft worden, berichtet Pauly, und sicherlich könne man von Ingelheim lernen. Vielleicht hat Neustadt ja schon einen Blick auf den Testsieger geworfen. Denn ein Fahrradparkhaus, wie es bisher nur in Ingelheim existiert, hat es auch an der Weinstraße auf die Wunschliste geschafft.

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