Rheinland-Pfalz Nürburgring-Prozess: Verteidiger fordert Freispruch für alle

KOBLENZ (nob). Im Untreue-Prozess wegen der gescheiterten Privatfinanzierung des Nürburgring-Ausbaus hat die Verteidigung jeweils Freispruch für die vier Mitangeklagten von Ex-Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) gefordert. Dabei griffen die Rechtsanwälte gestern vor dem Landgericht Koblenz die Staatsanwaltschaft erneut scharf an.

So sagte der Verteidiger von Walter Kafitz, dem früheren Hauptgeschäftsführer der Nürburgring GmbH, seinen Mandanten treffe keine strafrechtliche Schuld. Dieser trage zwar Mitverantwortung für das Scheitern der Privatfinanzierung, in deren Einzelheiten er nicht eingebunden gewesen sei. Kafitz müsse sich jedoch allenfalls vorwerfen, anderen Akteuren zu sehr vertraut zu haben. Der Ex-Geschäftsführer habe dafür bereits einen hohen Preis bezahlt, erklärte sein Verteidiger Hans-Jörg Odenthal weiter. Der seit eineinhalb Jahren andauernde Prozess habe verhindert, dass Kafitz beruflich „wieder Fuß fassen konnte“, und deshalb sei er auf Arbeitslosenunterstützung angewiesen. Die Staatsanwaltschaft hat für Kafitz eine Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung gefordert. Die Staatsanwaltschaft sieht in Deubel den Hauptschuldigen an der 2009 spektakulär gescheiterten Privatfinanzierung des Nürburgring-Ausbaus zu einem Freizeit- und Geschäftszentrum. Die Anklage fordert eine Haftstrafe von vier Jahren. Sie wirft dem früheren Finanzminister Untreue in einem besonders schwerem Fall vor. Deubel, der im Juli 2009 aus dem Kabinett des damaligen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) zurücktreten musste, beteuerte stets seine Unschuld. Sein Verteidiger hat bereits Ende März auf Freispruch plädiert. Für den Ex-Controller der Nürburgring GmbH, Michael Nuß, verlangt die Staatsanwaltschaft zehn Monate Haft auf Bewährung. Dessen Verteidiger sagte gestern: Sein Mandant habe im Unternehmen keine „Entscheidungsaufgaben“ gehabt, sondern ausschließlich „Beratungs- und Ausführungsaufgaben“ erledigt. Er habe stets zum Wohl der Nürburgring GmbH gehandelt. Auf der Anklagebank sitzen zudem der ehemalige Geschäftsführer der landeseigenen Förderbank ISB, Hans-Joachim Metternich, sowie der Geschäftsführer der ISB-Tochter RIM, Roland Wagner. Sie werden der Beihilfe zur Untreue beschuldigt. Gefordert sind zwölf beziehungsweise neun Monate Haft auf Bewährung. Der Vorwurf: Durch elf stille Einlagen von insgesamt 85,5 Millionen Euro waren 2008 und 2009 die Projekte des als Privatinvestor vorgestellten Geschäftsmanns Kai Richter finanziert worden. Dabei wurde nach Auffassung der Staatsanwaltschaft auf eine notwendige Risikoüberprüfung verzichtet, weil das Land die Finanzierung zu 100 Prozent abgesichert hatte. Die ISB habe explizit den Auftrag, das Land bei wirtschafts- und strukturpolitischen Projekten zu unterstützen, sagte Metternichs Verteidiger Schneider. Nach den Maßstäben der Koblenzer Staatsanwaltschaft müssten die Verantwortlichen der meisten Förderbanken in Deutschland vor Gericht. Zudem habe Deubel mit der Zusicherung der 100-prozentigen Ausfallbürgschaft auf der Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung gehandelt. Das schließe Beihilfe zur Untreue aus. Während der Plädoyers gab es immer wieder Spitzen in Richtung Staatsanwaltschaft, die „Resistenz gegen die Ergebnisse der Beweisaufnahme“ gezeigt habe. Verteidiger Schneider warf den Anklägern „populistische Effekthascherei“ vor. Das ganze Verfahren sei eine „skrupellose Geldverschwendung“. Jetzt hat die Strafkammer das Wort. Nächster Prozesstermin ist der 16. April. An diesem Tag will Vorsitzender Winfried Hetger die Urteile verkünden.

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