Rheinland-Pfalz Mit Hefe aus der Pfalz das Weltall erobern

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Im Nachhinein betrachtet war es nur eine Frage der Zeit, bis Pfälzer Forschergeist der Raumfahrt neuen Schub verleiht. Haben doch schon die Altvorderen einen wichtigen Beitrag zur ersten Mondlandung geleistet. So hat der Bad Dürkheimer Philipp Fauth der Nasa mit seinen handgezeichneten Mondkarten den Weg gewiesen. Und die Frankenthaler Firma Klein, Schanzlin & Becker (heute KSB) entwickelte schon in den 30er Jahren eine Pumpe, deren Grundprinzip der Apollo-Trägerrakete Flügel verlieh. Nun, 50 Jahre nach der ersten Mondlandung, war es höchste Zeit, dass auch Pfälzer Weinforscher einen gewichtigen Beitrag zur künftigen Eroberung des Weltalls leisten. Und zwar Seite an Seite mit den Braukünstlern der Landauer Bierprojekt Genossenschaft und mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Dabei geht es um nichts weniger als die Besiedlung des Weltalls. Das klingt ein bisschen nach Perry Rhodan und Raumschiff Enterprise. Und doch hat das Forschungsvorhaben nichts mit Science Fiction zu tun. Es geht um die Frage, wie Menschen mit einem ständigen Aufenthaltsort im Weltraum mit dem lebenswichtigen Vitamin B12 versorgt werden können. Auf der Erde herrscht daran normalerweise kein Mangel. Schließlich nehmen wir dieses Vitamin beim Verzehr von Fleisch, Fisch oder Eiern in ausreichender Menge zu uns. Was aber ist, wenn Erdenbürger dauerhaft ins Weltall umziehen? Schweine- oder Hühnerställe sind dort schon deshalb nicht vorgesehen, weil für die Tiere auch Futter gebraucht würde. Vitamin B12 ist für die Zellteilung, die Blutbildung und die Nervenfunktion unverzichtbar. Gibt es womöglich fleißige kleine Helfer, die für Ersatz sorgen können? Winzer und Bierbrauer wissen seit Menschengedenken die Dienste von Hefen zu schätzen, die Zucker in Alkohol verwandeln. Könnten diese Helferlein auch den Vitamin-B12-Bedarf von Menschen im All decken? Und vor allem: Wie reagieren Hefepilze auf Beschleunigung, Schwerelosigkeit und die erhöhte Strahlung im Weltraum? Treten sie unter solchen Bedingungen womöglich in den Streik? Fragen über Fragen, auf die Dominik Rödel vom Landauer Bierprojekt, Friederike Rex aus der Arbeitsgruppe von Prof. Maren Scharfenberger-Schmeer am Weincampus in Neustadt und Jens Hauslage vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln Antworten suchen. Wenn im Juni in Schweden eine Forschungsrakete ins All geschossen wird, dann wird auch eine kleine Menge Hefe aus der Pfalz mit an Bord sein. Und zwar ein am Weincampus isolierter Stamm, der noch im Herbst zur Weinbereitung genutzt wurde. Die Rakete wird auf eine Höhe von 260 Kilometern steigen. Das klingt nicht nach viel, wenn man an die Entfernung zum Mond – 384.400 Kilometer – denkt. Aber laut Definition beginnt das Weltall schon in einer Höhe von 100 Kilometern über dem Meer. Und die Internationale Raumstation ISS befindet sich auch nur in einer Höhe von 408 Kilometern. Sechs Minuten lang werden die Pfälzer Hefepilze die Schwerelosigkeit erleben. Ob sie diese Premiere krumm nehmen oder ob sie dadurch zu neuen Höchstleistungen ermuntert werden, wird sich nach ihrer Rückkehr auf die Erde erweisen. Dann sollen sich die Hefen nämlich wieder an ihre Arbeit machen: Traubenmost beziehungsweise Bierwürze in alkoholische Getränke zu verwandeln. Jeder, der einmal Weltall-Wein oder -Bier testen möchte, wird dazu am 1. September beim Tag der offenen Tür am Weincampus in Neustadt Gelegenheit bekommen. Die Besucher werden in einer Blindverkostung Reben- beziehungsweise Gerstensäfte probieren dürfen, die entweder mit irdischer oder sozusagen mit außerirdischer Hefe erzeugt wurden. Werden sie den Unterschied schmecken? Hoffnungen auf einen Space-Schoppen oder einen Sixpack mit intergalaktischem Gerstensaft sollten sich die Pfälzer allerdings nicht machen: Die mit Raumfahrt-Hefen erzeugten Weine und Biere werden nur in Probierglas-Mengen ausgeschenkt. Und zu kaufen wird es sie auch nicht geben. | Jürgen Müller

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