Rheinland-Pfalz Forstverwaltung fürchtet das Kartellamt

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Die rheinland-pfälzischen Förster arbeiten fürs Land, aber sie kümmern sich auch um kommunale und private Wälder. In Baden-Württemberg läuft das ähnlich, doch dort hat jetzt das Kartellamt dazwischengeholzt. Es spricht von einem Vertriebskartell, das es aufbrechen will. Ein Vorstoß, der auch die Regierung in Mainz beunruhigt.

Mainz/Pirmasens. Er wacht über ein großes Reich: Herbert Immetsberger umsorgt 35 Quadratkilometer Wald auf der Sickinger Höhe, verstreut über die Kreise Kaiserslautern und Südwestpfalz. Ganz grob gerechnet, dürften in seinem Revier mehr als 700.000 ausgewachsene Bäume stehen. Obwohl ihr Hüter in Diensten des Landes steht, gehört kein einziger von ihnen dem Staat. Immetsberger ist Privatwaldbetreuer beim Pirmasenser Forstamt Westrich. Wie vielen Eigentümern ein Stückchen seines Reviers gehört, ist ähnlich schwer zu bestimmen wie die Zahl der dort wachsenden Bäume. Zwischen 3000 und 5000 müssten es sein, überschlägt der Förster. Den meisten seiner stolzen Waldbesitzer gehören Flächen, die gerade einmal 1000 bis 2000 Quadratmeter groß sind. Zum Vergleich: Ein für Länderspiele zugelassenes Fußballfeld bringt es schon auf mehr als 7000 Quadratmeter. Doch auch auf kleiner Fläche kann begehrtes Holz wachsen. Immetsberger kennt Händler aus Niedersachsen, die für ein paar Ahorn- oder Eichenstämme bis in die Pfalz fahren. Auswahl wollen sie dann aber schon, berichtet der Förster. Damit genug Holz zusammenkommt, türmen er und seine Kollegen Stämme aus staatlichen, gemeindeeigenen und privaten Wäldern an wenigen Sammelplätzen übereinander. Den Verkaufserlös reichen sie dann an die Eigentümer weiter, nur die Gebühren für seine Vermarktungshilfe kassiert das Land. Die staatlichen Förster in Baden-Württemberg machen das bislang auch so. Doch so darf es dort nicht weitergehen. Das hat das Bundeskartellamt entschieden – und dafür viel Kritik eingesteckt. Dabei ist es eine Art Verbraucherschutzbehörde. Seine Aufgabe: verhindern, dass einzelne Unternehmen zu mächtig werden. Ein Sprecher des Amts erklärt es am Beispiel: Wenn die Betreiber kleiner Lebensmittelläden ihre Ware gemeinsam und damit billiger einkaufen, ist das in Ordnung. Das Kartellamt könnte aber dazwischenfunken, wenn sie sich mit der größten Supermarktkette zusammentun. Denn ein zu breites Bündnis könnte die Preise diktieren. Und im Handel mit baden-württembergischen Nadelholz geht es tatsächlich ungefähr so zu, meinen die Bonner Wettbewerbshüter. Die kleineren Anbieter – Privatwaldbesitzer und Kommunen – lassen ihre Ware ausgerechnet vom größten Anbieter verkaufen: dem Landesforstbetrieb. Wie weit der in Zukunft noch mitmischen darf, darüber verhandelt die Stuttgarter Landesregierung gerade mit dem Kartellamt. Allseits erwartetes Ergebnis: Nur wer weniger als einen Quadratkilometer Wald hat, darf sein Holz künftig noch vom Landesforstbetrieb verkaufen lassen. Überträgt man diese Maßstäbe auf die Sickinger Höhe, dann kann sich Herbert Immetsberger zwar weiterhin um die 700.000 Bäume seiner Privatwaldbesitzer kümmern. Doch in Rheinland-Pfalz müssten die Förster des Landes 61 Prozent des bislang von ihnen betreuten Kommunal- und Privatwalds aus ihrer Obhut entlassen. Die zuständige Ministerin Ulrike Höfken (Grüne) sagt: „Dies würde das Aus für unsere bewährten Gemeinschaftsforstämter bedeuten.“ Deshalb hat sie jetzt den Schulterschluss mit den anderen Ländern gesucht – und gefunden. Einstimmig fordern sie: Die Bundesregierung soll dafür sorgen, dass alle weitermachen dürfen wie bisher. Schließlich kümmern sich die Landesförster nicht nur darum, dass die Waldbesitzer Holz verkaufen können. Sie beraten sie auch, wenn es ums Pflanzen geht. Und um die Pflege. Und ums Einhalten von Vorschriften. Immetsberger sagt: „Manche Eigentümer haben ja noch nicht einmal gehört, dass wir ein Waldgesetz haben. Und andere wissen gar nicht, wo ihr Waldstück überhaupt liegt.“ Schließlich gibt es Leute, denen ein paar Bäume auf der Sickinger Höhe gehören, die aber in den USA leben. Oder im niedersächsischen Ippenbüren. Oder im bayerischen Rottach-Egern. Dort immerhin könnten Rheinland-Pfälzer auch lernen, wie man den Wald kartellrechtlich unbedenklich bewirtschaftet. Die Bonner Wettbewerbshüter jedenfalls empfehlen den Freistaat als Vorbild. Bayerns staatlicher Forstbetrieb verkauft nur sein eigenes Holz. Private und kommunale Waldbesitzer werden aber beraten und finanziell gefördert, wenn sie sich in Vereinen zusammenschließen und so ihre Stämme gemeinsam vermarkten. Solche Bündnisse gibt es auch auf der Sickinger Höhe: Herbert Immetsberger betreut zwei Forstbetriebsgemeinschaften. In ihnen haben sich einige seiner Waldbesitzer zusammengeschlossen, gemeinsam bringen sie es auf jeweils etwa vier Quadratkilometer. Doch auch diese Flächen setzen sich aus kleinen, im Wald verstreuten Stücken zusammen. Deshalb meint Immetsberger: Selbst ihr Holz lässt sich nur gemeinsam mit dem aus Staats- und Kommunalwald auf den Markt bringen. Doch wenn das Kartellamt sich mit seiner Ein-Quadratkilometer-Obergrenze durchsetzt und die Vereine jeweils als ein Betrieb gelten, dann müsste er den Holzverkauf für jedes Mitglied wieder einzeln abwickeln. Was das 35 Quadratkilometer große Reich nicht kleiner, aber die Arbeit seines Hüters noch komplizierter machen würde.

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