Rheinland-Pfalz Das Impfen schlicht vergessen?

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Manche Themen verschwinden so schnell, wie sie auftauchen. So schien es fast mit dem Impfen, das uns lange Zeit gar nicht beschäftigte. Denn die meisten Eltern marschieren brav mit ihren Kleinen zum Arzt und lassen sie gegen viele Krankheiten immunisieren. In Rheinland-Pfalz haben bei der Einschulung fast 98 Prozent aller Kinder die erste von zwei Impfungen gegen Masern. Den zweiten Pikser haben laut Landesuntersuntersuchungsamt nur noch 93,6 Prozent – Robert-Koch-Institut (RKI) und Ministerium empfehlen dagegen mindestens 95 Prozent – damit Masernausbrüche verhindert werden könnten. Es besteht also Nachholbedarf. Und mit dem weltweiten Vormarsch der Masern – allein für das erste Quartal 2019 meldete die Weltgesundheitsorganisation einen Anstieg um 300 Prozent weltweit – und etlichen Masernfällen auch in der Pfalz, kam plötzlich die große Impfdebatte auf. Dann ordnete das Landesuntersuchungsamt die Ausbreitung der Masern mit 14 Kranken in Landau und im Kreis Südliche Weinstraße als Epidemie ein – im Nachhinein gesehen, hatte auch das verbale Signalwirkung. Der Ruf nach einer Impfpflicht wurde lauter. Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) zögerte zunächst. Doch jetzt ist klar: In Rheinland-Pfalz müssen sich Mitarbeiter in Gesundheitsberufen künftig wohl impfen lassen. Noch 2019 soll eine Novelle der Hygieneordnung Arbeitgeber in die Pflicht nehmen. Neben Masern geht es auch um Röteln und Windpocken. Hier geht es wohlgemerkt um die Vorsorge bei Erwachsenen – bis auf einen Fall, waren auch die Masernkranken in der Pfalz alle über 18 Jahre alt. Wie viele Erwachsene jedoch gegen welche Krankheiten geimpft sind, dazu gibt es keine Zahlen. Also muss man sich mit den Kindern beschäftigen. Und da gibt es eine Kuriosität in der Pfalz. In Frankenthal sind auffällig wenige Kinder voll immunisiert gegen Masern. Ihnen fehlt die zweite medizinisch empfohlene Dosis gegen das Virus. Nur 85,2 Prozent aller Schulanfänger hatten diesen 2016 bei der Eingangsuntersuchung – so wenige wie nirgends im ganzen Land. Zweibrücken dagegen hält in der Pfalz den Rekord mit einer Zweit-Impfquote von 96 Prozent. Und in Frankenthal wird es kaum besser: Auch für das Schuljahr 2018/19 erreicht die Quote aktuell nur knapp 86 Prozent. Das zuständige Gesundheitsamt im Rhein-Pfalz-Kreis kann sich keinen echten Reim darauf machen. Und spricht davon, dass Eltern den zweiten Gang zum Arzt „schlicht vergessen“ würden. Oder fälschlicherweise von einem vollen Schutz schon nach der ersten Impfung ausgingen. Und mancher Arzt nähme die Zweit-Impfung erst im Grundschulalter vor – diese Kinder tauchen dann in der Statistik nicht mehr auf. Mit einer Erklärung versucht sich auch der Frankenthaler Kinderarzt Lothar Maurer, zugleich Landesvorsitzender des Bundesverbands der Kinderärzte. Der Mediziner verweist auf anthroposophische Ärzte und die Waldorfschule in der Stadt – bekanntermaßen seien dort mehr Impfskeptiker. Die Schule selbst hält sich zurück mit Zahlen und meint, dass ihre Eltern „bedachter“ seien bei dem Thema. Mitunter kommt es aber auch in Frankenthal noch einmal zum Nachdenken, wenn nämlich Schüleraustausche ins Ausland anstehen. Und sich Mamas und Papas fragen, ob die Lücken im Impfpass nicht doch gefüllt werden sollten. Schulen in den USA etwa wollen keine Mädels und Jungs, die nicht gegen Masern oder andere hoch ansteckende Krankheiten geimpft sind. Doch alle Eltern an Waldorfschulen gleichzusetzen mit Impfgegnern, ist gefährlich und falsch. Dort gibt es sicher Dogmatiker, die von Handys über Impfen alles ablehnen, dafür aber auch Menschen, die das pädagogische Konzept schätzen und deutliche Impfbefürworter sind. | Simone Schmidt

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