Rheinland-Pfalz Aufgefädelt auf dem Rad

Der Meister und seine Schülerin: Christian Hörner muss RHEINPFALZ-Redakteurin Simone Schmidt festhalten, damit sie nicht gleich
Der Meister und seine Schülerin: Christian Hörner muss RHEINPFALZ-Redakteurin Simone Schmidt festhalten, damit sie nicht gleich wieder vom Einrad kippt.

„Bauch anspannen, gerade sitzen, locker treten – der Rest ist Kopfsache.“ Das soll alles sein? Wenn Christian Hörner, 24, sich auf sein schwarzes fünf Kilo Alu-Einrad schwingt, ein bisschen auf- und abhüpft, rückwärts und vorwärts pendelt, sieht nichts leichter aus als das. Aber da ist die Sache mit dem Kopf. Und natürlich, dass der zierliche Mann schon seit der Grundschulzeit mit dem Einrad unterwegs ist. Anfangs nur im elterlichen Hof in Landau, später zum Brötchen holen und heutzutage mit über 20 km/h die Alpen runter. Er war einmal Deutscher Meister im Downhill-Einradfahren. Und er kann mit seinem Einrad auf fünf übereinander gestapelte Paletten hochspringen. Die Probandin aber ist mehr als doppelt so alt und sonst nur sicher auf zwei oder vier Rädern. Das erste Etappenziel: auf den Sattel. Insgeheim sehe ich mich natürlich schon freihändig auf dem Parkplatz Runden drehen. Hatte nicht der Einrad-Profi von anderen Schülern erzählt? Von seinem kleinen Bruder, heute 13, der mit sechs Jahren nach einer halben Stunde Einweisung vier, fünf Meter allein im Hof gemeistert hat? Und von einem Kumpel in Kanada, der ebenso fix gleich radeln konnte? Der Ansporn ist groß und der Kopf nicht ganz so frei. „Ja nicht festkrallen an der Hauswand.“ An diesem Morgen regnet es. Der Fotograf will am liebsten später kommen – „wenn die Sonne scheint“. Nichts da. Vom Hof geht es zu einem überdachten Parkplatz bei einem Landauer Großhändler. Christian Hörner schraubt den langen und in der Mitte deutlich vertieften Sattel am Einrad herunter. „Die Höhe soll so sein wie beim Radfahren. Das Bein leicht angewinkelt.“ Dann Raufkommen. „Rechts- oder Linksfüßerin?“, will er wissen. Wer mit rechts schießt und mit rechts Schwung auf dem Roller holt, setzt am besten zuerst links den Fuß aufs Pedal. Hellgrüne Kunststoffpedale, nicht zu verfehlen. Linken Fuß rauf – „nicht zu dicht an die Kurbel“, das Rad leicht nach hinten kippen. „Mit links nach unten drücken, dann rechts drauf und über die Achse.“ Aha. Also mit dem Körper so weit nach vorne, bis alles im Lot über dem Sattel ist. Es braucht mehrere Anläufe, einen metallenen Pfosten auf der rechten und eine stützende Hand auf der linken. Zuerst mangelt es an Schwung und frau kippt mit dem Rad nach hinten; dann mit zu viel Schwung nach vorne. Irgendwann, irgendwie ist es geschafft – nach langen 20 Minuten. Und ein paar Erklärungen zu Balance und Auspendeln wie auf einer Waage. Dann sitze ich auf dem Einrad. „Ja nicht festkrallen an einer Hauswand. Das funktioniert nie.“ Den Fehler hat Christian Hörner einst gemacht, als er mit sechs Jahren, animiert durch einen Fernseh-Zirkus, sein erstes Einrad bekam. Er hatte keinen Profi bei der Hand, nur den Hof zu Hause bei Oma und den Eltern. Erst mit ein paar Tipps vom Verein, konnte er später von der Hauswand ablassen und sich freifahren. „Stellen sie sich einen Faden vor, an dem sie aufgehängt sind. Er geht durch Kopf, Körper, Rad und Reifen – bis zum Boden. Damit sitzt man gerade.“ Also Faden spannen und wieder los aufs Rad. Das eine. Jetzt soll es los vom Pfosten ein paar Meter weiter gehen. Der 24-Jährige hält mal den linken Arm wacker fest und versucht schrittweise nebenher zu laufen. Mal stützt er von hinten die ausgebreiteten Arme. „Nicht verkrampfen. Nicht mit Kraft. Locker treten – wie beim Radfahren.“ Und genauso schnell am besten. Der hat gut reden. Das Aufschwingen auf den Sattel klappt jetzt immer besser, dafür gibt es viel Lob. Nur von Fahren kann nach weiteren 20 Minuten noch immer nicht die Rede sein. Die Radlerin kippt nach hinten oder vorne um. Der Held neben ihr versucht, sie aufzufangen. „Zum Glück wiegen Sie keine 90 Kilo.“ Sagt der 70-Kilo-Junge und lacht zaghaft. Oma hat versucht ihn „mit Eis zu bestechen“ Dann versucht er es mit einem Ablenkungs-Manöver. Früher, sagt er halb scherzend, habe seine Oma versucht, ihn „mit Eis zu bestechen“. Die Großmutter war einmal Kunstläuferin auf Rollschuhen. Ihr Hobby habe er damals geteilt. „Aber nur, bis sie es übertrieben hat“ und er sich ein eigenes Hobby suchte. Heute hat er etliche Titel und „eine ganze Wand voll Einräder“, er meint zwölf. Die meisten selbst zusammengebaut und bis zu 700 Euro teuer. Finanzieren kann er sich das über seinen Ausbildungslohn. Zusammen mit seinen drei Geschwistern wohnt er noch bei den Eltern. Über seine Titel aber spricht er nur ungern. Es gehe ihm um den Spaß mit der „Einrad-Community“ – weltweit etwa 4000 Mitglieder. „Mit meinem Hobby komme ich in der Welt rum“: Kanada, Südkorea, USA und immer wieder Italien und die Alpen. Dann hat er für seine Schülerin die nächste Etappe parat: einen Einkaufswagen. Einkaufswagen? Den spannt er vor sie und das Rad. „Damit kippen Sie nicht. Einfach nur die Hände auflegen und schieben.“ Der ist lustig. Aber es funktioniert verdammt gut. Zum ersten Mal kann ich den Parkplatz umrunden – mit Einrad. Immer noch nicht freihändig ... Dem aber geht es weiter entgegen bis – ja, bis ein Mann aus seinem knallroten Kombi steigt und meckert: „Die Einkaufswagen sind nur für unsere Kunden.“ Aha. Dass von den Wagen noch mehr als 20 in der Box stehen und kaum Einkäufer da sind, scheint ihm gleich. Doch der Selbstversuch ist ohnehin zu Ende. Das große Ziel nicht erreicht. „Wirklich nicht schlimm. Viele geben nach ein paar Minuten, wenn’s nicht gleich klappt, auf“, meint der 24-Jährige aufmunternd. Immerhin. Es bleibt der Spaß und die Idee, es zu Hause mit einer Mülltonne vor sich zu üben. Jetzt schnappt sich Christian Hörner das Einrad und macht einen „One-Eighty“: eine Hundertachtzig-Grad-Drehung. Sooo locker. Bordsteinkanten nimmt er hüpfend. Seine nächste echte Hürde ist die Jobsuche als Maschinenbautechniker. „Ein bisschen anspannen, dann locker lassen – der Rest ist Kopfsache“, denke ich. Und ein bisschen Glückssache. Info —Einradfahren kann man zum Beispiel in einer Übungsstunde beim TV Queichheim testen: freitags, 18 bis 20 Uhr, in der TV-Halle (Zum Queichanger 23, Landau). —Wer sich für Kunstradsport, Radball oder Einradfahren interessiert, kann sich beim VfH Worms (www.vfhworms.de) melden. Bekannt fürs Kunstradfahren sind der RC Vorwärts Speyer oder der RCV Böhl-Iggelheim. —Es gibt in der Region keine Einrad-Verleiher, dafür aber Anbieter, die die Räder bundesweit wochen- oder monatsweise verleihen. Etwa in Lübeck: www.einradfuechse.de Ein Standard-Rad für einen Monat inklusive Porto: 25 bis 30 Euro; gehobene Radklasse: 35 bis 40 Euro. Eine niederländische Firma unter www.happyrentverleih.de verleiht ebenfalls Einräder. Nächste Tour 19. August: Das Steuergroschen-Grab – der Wieslauterhof bei Hinterweidenthal

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