Speyer Warum es gut ist mit 59 einen neuen Job anzufangen

Silvia Gonsior
Silvia Gonsior

Mit 59 kündigen und das machen, woran das Herz hängt – Silvia Gonsior aus Speyer hat den Sprung gewagt. Sie erzählt als freie Rednerin nun die Lebensgeschichten von Menschen oder fasst sie in Büchern zusammen. Früher hat sie das städtische Beschwerdemanagement aufgebaut. Das hilft ihr heute.

Von Rebecca Ditt

„Jeder Mensch hat verdient, dass er in Erinnerungen bleibt“, sagt Silvia Gonsior. Sie begleitet als freie Rednerin Menschen an den Wendepunkten ihres Lebens: Kinderwillkommensfeste, Trauungen oder bei Beerdigungen eines geliebten Menschen. Das verändert die Sicht auf die Welt - auch, wenn man mit 59 schon sehr viel Lebenserfahrung gesammelt hat.

Gonsior hat schon in großen Firmen wie der SAP gearbeitet, war persönliche Referentin des Oberbürgermeisters, hat das Beschwerdemanagement der Stadt Speyer aufgebaut, ist Mutter von vier Kindern und hat mit 59 die Festanstellung hinter sich gelassen, um sich selbstständig zu machen. „Es hat mich schon sehr viel Mut gekostet, weil es natürlich auch mit einer großen Unsicherheit verbunden ist. Allerdings dachte ich mir auch mit knapp 60, kannst du nicht mehr so viel verlieren“, sagt sie. Mit 40 wäre der Schritt in die Selbstständigkeit für sie noch nicht möglich gewesen aufgrund der finanziellen Situation und mit der Familie. Die Kinder sind nun aus dem Haus, ihr Mann steht hinter ihr - auch finanziell - für den Fall der Fälle.

„Ich musste erst die Reife der Lebensphase erreichen“

Gonsior sieht es als Vorteil sich erst mit 59 selbstständig gemacht zu haben. „Bei mir spielen die große Lebenserfahrung und die vielen Berufswechsel eine große Rolle, bei denen es immer wieder notwendig gewesen ist sich in neue Sachverhalte und Strukturen einzuarbeiten. Und natürlich ist man das Reden und Konflikt gewöhnt, wenn man vier Kinder erzieht“, sagt sie und lacht. Sie bereut nicht sich erst so spät für ihre Profession entschieden zu haben. „Ich glaube, ich musste erst die Reife der Lebensphase erreichen, um mir das zuzutrauen, um die Ausgewogenheit auch in mir erreicht zu haben so etwas zu machen“, sagt sie. In der Phase, in der sie noch auf der Suche nach sich selbst war, wäre sie nicht am richtigen Platz gewesen. Jetzt sei sie im Leben gut angekommen, habe vieles erlebt, habe klare Wertvorstellungen, sich ausgetobt und eine Milde erfahren. „Ich war früher ein temperamentvoller Mensch, der vielleicht auch Dinge gesagt hat, die er nicht hätte sagen sollen. Ich glaube, es war notwendig, dass ich diese Reife erstmal habe, um das hier machen zu können“, sagt Gonsior heute.

Was man als Beschwerdemanager lernt

Doch vor dem Sprung ins kalte Wasser hat sie das Für und Wider nicht nur mit Familie und Freunden abgewägt sondern auch mit einem Coach. „Das würde ich jedem empfehlen. Das macht noch einmal die Vor- und Nachteile sichtbar“, sagt sie.

So paradox es klingen mag, aber durch die Arbeit im Beschwerdemanagement für die Stadt Speyer hat sie auch vieles gelernt für ihre jetzige Profession als Trauerrednerin. „Es ist absolut notwendig, dass man mit einer großen Feinfühligkeit und Vorsicht in das Gespräch mit Angehörigen geht. Die Fähigkeit zu spüren, was das Gegenüber gerade umtreibt, ist wichtig“, sagt Gonsior.

Egal ob Trauerfeier oder Trauung, sie begreift sich als Zeremonienmeisterin, die sich um mehr kümmert als nur um die Rede. „Letztlich ist es eine Moderation“, sagt Gonsior. Beim Umgang mit Lampenfieber hilft ihr auch die Lebenserfahrung: „Ich habe 25 Jahre im Laientheater bei Prisma in Speyer gespielt. Da lernt man das Lampenfieber in den Griff zu kriegen.“ Jeder Job sei vergleichbar mit einem Auftritt. Jeder Auftritt muss gut vorbereitet sein: Der Text muss sitzen, das Outfit.

Bald wird sie eine Fortbildung zur würdezentrierten Therapie beginnen. „Es geht darum, sterbenskranke Menschen zu interviewen, die Dinge festzuhalten, die ihnen noch wichtig sind. Es geht vielleicht auch darum, sich noch einmal zu entschuldigen. Es gibt in vielen Familien ja auch Konflikte oder man hat etwas versäumt, was einem später leid tut“, sagt Gonsior und scheint ganz bei sich angekommen zu sein als jemand, der die Lebensgeschichten von Menschen sichtbar macht.

Das ganze Gespräch von der Leiterin der Pfalzredaktion, Rebecca Ditt, mit Silvia Gonsior gibt es im Podcast „Wissen, was läuft“.

An dieser Stelle finden Sie unseren aktuellen Podcast via Podigee.

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