Rheinland-Pfalz Von der Schoko-Mafia und echten Pfundskerlen

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Es begab sich in der Nacht zum Sonntag, dass ein Brummifahrer in Südhessen von Müdigkeit übermannt wurde. Auf dem Rastplatz Lorsch-Ost an der A 67 parkte er seinen Sattelzug und legte sich in der Führerhaus-Koje aufs Ohr. Der Mann muss einen gesunden Schlaf gehabt haben. Denn erst als er morgens erwachte, wurde er der nächtlichen Bescherung gewahr: Jemand hatte seinen Auflieger aufgebrochen und daraus vier Paletten mit 13.400 feinsten Schokoladen-Tafeln geklaut. Über den groben Daumen gerechnet, dürften die 1,3 Tonnen an süßer Beute runde sieben Millionen Kilokalorien (kcal) enthalten. Eine solche Menge kann auch die verwöhnteste Naschkatze kaum rechtzeitig vor dem Verfallsdatum verputzen. Das gilt zweifellos auch für den Fall, dass sie die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung grob missachten würde. Danach sollten Männer ihre tägliche Energiezufuhr auf 2300 kcal und Frauen auf 1800 kcal beschränken. Die Ermittler vermuten deshalb, dass die süße Ware nicht für den Eigenbedarf entwendet wurde, sondern unter der Hand verscherbelt werden soll. Dieses denkwürdige Ereignis auf dem Lorscher Autobahn-Rastplatz fällt in eine Zeit, in der wir in puncto Ernährung schweren Prüfungen ausgesetzt sind: Kalorienbomben wie Lebkuchen und Plätzchen, Glühwein und Gänsebraten locken allerorten. Selbst zwei Abgeordnete der Grünen im Mainzer Landtag leisten den zahlreichen kulinarischen Verlockungen Vorschub: „Weihnachten soll eine genussvolle Zeit sein“, mahnen Jutta Blatzheim-Roegler und Andreas Hartenfels in einer kleinen Anfrage die rheinland-pfälzische Landesregierung. Von der fordern sie unter anderem Auskunft darüber, wie viele Gänse von wie vielen Betrieben in Rheinland-Pfalz gehalten werden. Und wo Verbraucher solches Federvieh aus regionaler und vor allem aus biologischer Haltung kaufen können. Mit Blick auf aktuelle Mikrozensus-Zahlen des Statistischen Landesamtes wäre der Landesregierung freilich anzuraten, dass sie mit ihren Gänse-Antworten besser bis nach Weihnachten wartet. Stehen doch die Rheinland-Pfälzer mit ihrem Körpergewicht gar nicht gut da: Fast 55 Prozent aller Landeskinder ab 18 Jahren nennen schon heute zu viel Hüftgold ihr eigen. Wobei die Herren der Schöpfung echte Pfundskerle sind: Zwei von drei Männern besitzen einen Body-Mass-Index (BMI) von über 25. Bekanntlich werden beim BMI Körpergewicht und -größe zueinander ins Verhältnis gesetzt. Wer bei dieser Rechnung den BMI-Wert 25 überschreitet, gilt laut Weltgesundheitsorganisation als „übergewichtig“, ab einem Wert von 30 ist man sogar „stark übergewichtig“. Bei den Damen sieht es laut den Statistikern etwas erfreulicher aus: Nur 44 Prozent der Rheinland-Pfälzerinnen bringen – bezogen auf den BMI – zu viele Pfunde auf die Waage. Damit liegen aber auch sie noch über dem Bundesdurchschnitt. Und angesichts der nun beginnenden Adventszeit ist kaum damit zu rechnen, dass sich daran in naher Zukunft Entscheidendes ändern wird. Zur Panik besteht freilich auch kein Anlass: Kritischer als die Weihnachtszeit gilt mit Blick auf das Körpergewicht noch immer die Zeit zwischen Neujahr und Weihnachten ... Übrigens: Bis gestern hat die hessische Polizei keine Hinweise auf die Täter des Schokoladen-Coups von Lorsch erhalten. Auch blieben die Tafeln spurlos verschwunden. Möglicherweise wurden sie die Beute einer Schoko-Mafia: Dass Süßigkeiten aus Lkws entwendet werden, ist nämlich kein Einzelfall. Erst im Januar haben sich Unbekannte in einem Freiburger Gewerbepark zwei Lkw-Anhänger unter den Nagel gerissen. Darin befanden sich 44 Tonnen Schokolade im Wert von 400.000 Euro. Einen noch beladenen Anhänger entdeckten die Ermittler damals auf einem Rastplatz, den zweiten spürten sie beim badischen Lahr auf – leer geräumt bis auf den letzten Krümel. | Jürgen Müller

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