Rheinland-Pfalz „Trinken für einen guten Zweck“

Gut besucht: die von Bürgern betriebene Dorfkneipe der Südeifel-Gemeinde Gamlen.
Gut besucht: die von Bürgern betriebene Dorfkneipe der Südeifel-Gemeinde Gamlen.

«GAMLEN.» Es ist Freitagabend. 19 Uhr. Noch ist es ruhig in der kleinen Dorfkneipe. Die ersten Gäste sitzen an der Theke, ein Bierchen, eine Cola. Schräg über dem Tresen läuft ein Fernsehgerät. Ein junger Mann verfolgt beiläufig das Fußballspiel auf dem Bildschirm. Wände und Möbel sind hell, die Einrichtung des Gastraums ist zweckmäßig und modern. Mehr braucht es nicht, Hauptsache es gibt wieder eine Dorfkneipe. Ein Gamlener Bürger hat es schon am Rande der Einweihung im vergangenen Februar auf den Punkt gebracht: „Die Idee, wieder einen richtigen Treffpunkt im Dorf zu schaffen, ist sehr gut. Hier werden sich Leute begegnen, die sich sonst womöglich das ganze Jahr über nicht gesehen hätten.“ Gamlen liegt in der Südeifel im Kreis Cochem-Zell. Das Dorf zählt knapp 500 Einwohner. Zum Städtchen Kaisersesch, dem Sitz der Verbandsgemeinde, sind es fünf Kilometer. In Gamlen gibt es ein paar mehr oder weniger aktive Vereine, zwei Klassenstufen der Grundschule werden noch im Dorf unterrichtet. Nahversorgung? Fehlanzeige. Und mit der Gastronomie war es vor zwei Jahren auch noch zu Ende gegangen. Im März 2017 schloss das letzte Gasthaus im Dorf seine Türen für immer. „Wir haben überlegt, was man tun kann“, erinnert sich Michael Münch. Vereinsgastronomie gibt es im kleinen Gamlen nicht. Das relativ neue und schmucke Gemeindehaus hat keine Theke. Seine Ertüchtigung zum Gasthaus hätte mindestens 100.000 Euro gekostet und die Gemeindekasse überfordert, ließen sich Münch, der im Ortsgemeinderat sitzt, und Ortsbürgermeister Achim Marzi ausrechnen. Schließlich wurde die Idee geboren: Das frühere Gefrierhaus der Gemeinde wird mit viel Eigenleistung zur Dorfkneipe umgebaut und von Freiwilligen betrieben. Im Gemeinderat sei das Projekt heftig umstritten gewesen, sagt Michael Münch. Schließlich habe man aber eine Mehrheit bekommen, Das ehemalige Gefrierhaus ist Ende der 1960er-Jahre gebaut worden. Im Laufe der Zeit diente es unter anderem als Gemeinde- und Feuerwehrgerätehaus, zuletzt als Jugendraum. Der Umbau zur Dorfkneipe begann im Oktober 2017, vier Monate später wurde das „Brohlbachstübchen“ eingeweiht. Die Gemeinde hat 20.000 Euro für die Anschaffung eines Containers als neue Unterkunft für die Dorfjugend finanziert und 20.000 Euro in den Kneipen-Umbau gesteckt. Freiwillige haben 1000 Stunden kostenlos gearbeitet. Betrieben wird die Kneipe vom eigens gegründeten „Dorfgemeinschaftsverein Gamlen“. Damit haben die Gamlener eine Lösung mit Seltenheitswert gefunden: Die Dorfkneipe gehört der Gemeinde und wird von Bürgern betrieben, die sich allein zu diesem Zweck zusammengefunden haben: das „Bürgergasthaus“, wie es auf der Internetseite der Gemeinde genannt wird, soll helfen, das Dorfleben vor dem Siechtum zu bewahren. Laut Satzung fördert der Verein das Dorfleben in vielerlei Hinsicht. Doch zumindest vorläufig beschränke sich die Arbeit auf den Kneipenbetrieb, räumt Michael Münch ein, der den Vorsitz übernommen hat: „Wir alle trinken für einen guten Zweck“, scherzt der 48-jährige Elektrotechniker. Mit dem Betrieb der Gaststätte ist er „im Prinzip zufrieden“. Finanziell laufe die Kneipe „richtig gut“. Das freut die Gemeinde. Für die ersten 36 Monate ist der Mietzins für das Gebäude auf einen symbolischen Euro pro Jahr festgesetzt. Ab dem zweiten Jahr wird jeder zweite Euro Reingewinn für gemeinnützige Zwecke in die Gemeindekasse fließen. So ist es vereinbart. Der Dorfgemeinschaftsverein zählt laut Münch mittlerweile 32 Mitglieder, etwa zwei Drittel davon lassen sich mehr oder weniger regelmäßig zum Dienst hinter der Theke einteilen. Donnerstags und freitags jeweils ab 19 Uhr ist die Kneipe geöffnet. Durchschnittlich ein Dutzend Besucher finden pro Abend den Weg an den Tresen. Die Reinigung des Hauses wird von einer bezahlten Putzfrau erledigt. Wunschlos glücklich sind Münch und seine Mitstreiter nicht. Vom Finanzamt wird der Verein wie ein Kleinunternehmen behandelt. Als Vorsitzender ist Münch Inhaber der Schankerlaubnis, und er musste ein Gewerbe anmelden. Ziel bleibe die Anerkennung des Vereins als „wirtschaftlicher Verein“. Das wäre eine „saubere Lösung“, die von den zuständigen Behörden bisher nicht erlaubt worden sei, klagt der 48-Jährige. Im Gemeinderat sind die Meinungen über die Dorfkneipe nach wie vor geteilt. Ungeachtet dessen schmieden die Bürgergastwirte eifrig Zukunftspläne. Derzeit wird eine kleine Küche eingebaut, schon bald sollen eine Terrasse und ein Wintergarten folgen. Info Die erste Folge mit dem Titel „Leute sollen einkaufen, nicht spenden“ erschien am 11. Oktober 2018.

Zuerst Gefrierhaus, dann Feuerwehrgerätehaus und dann Jugendraum, jetzt ein Treffpunkt zur Förderung des Dorflebens: das Brohlba
Zuerst Gefrierhaus, dann Feuerwehrgerätehaus und dann Jugendraum, jetzt ein Treffpunkt zur Förderung des Dorflebens: das Brohlbachstübchen in der 500-Einwohner-Gemeinde Gamlen.
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