Flutkatastrophe Drohen Seuchen, fehlen Medikamente?

Alles behelfsmäßig: Brücken über die Ahr wie hier in Neuenahr, aber auch die Arbeit in vielen Arztpraxen.
Alles behelfsmäßig: Brücken über die Ahr wie hier in Neuenahr, aber auch die Arbeit in vielen Arztpraxen.

Zwei Wochen nach den verheerenden Fluten in Rheinland-Pfalz rückt dort die medizinische Versorgung in den Fokus. Amtsärzte sehen die Lage kritisch. Diese Einschätzung teilen andere jedoch nicht. Auch von sinkender Akzeptanz gegenüber den Einsatzkräften ist die Rede. Und von Umweltproblemen.

Zwei Wochen sind vergangen, seit eine gewaltige Flutwelle im Ahrtal Menschen in den Tod, Häuser, Straßen, Brücken und Autos mit sich riss. 134 Tote sind geborgen. Viele Menschen haben noch kein fließendes Wasser, Abwasserrohre sind weggeschwemmt. Wasser muss abgekocht werden und manches Wasser ist noch nicht einmal zum Putzen gut genug. Angesichts dieser hygienischen Zustände fürchtete schon Tage später mancher den Ausbruch von Seuchen.

Bundesverband Amtsärzte: „Gesundheitslage ist erschreckend“

Das Thema medizinische Versorgung drang jedoch nicht weiter in den Vordergrund – bis Donnerstagmorgen, zumindest medial. Bis um 7.49 Uhr die Deutsche Presseagentur meldete, wie die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes die Situation in den von der Flut betroffenen Regionen einschätzt: „Nach wie vor erschreckend“, sagte Ute Teichert den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Dazu gehören Titel wie das „Hamburger Abendblatt“, die „Berliner Morgenpost“ oder „Bild der Frau“.

Die Gesundheit der Bevölkerung sei „massiv bedroht, weil die Infrastruktur nicht funktioniert“, hatte Teichert kritisiert. Laut Gesundheitsministerium, das sich auf die Kassenärztliche Vereinigung beruft, sind in der Region 36 Arztpraxen funktionsunfähig, 20 Apotheken beschädigt, zwölf davon ganz ausgefallen, fünf Krankenhäuser evakuiert. In einem dieser Krankenhäuser soll nächste Woche die stationäre Versorgung teils wieder aufgenommen werden.

Die Vorsitzende des Amtsärzteverbands Teichert, die bis 2012 das Gesundheitsamt im flutbetroffenen Landkreis Ahrweiler leitete, erklärte, dass viele Menschen ohne dringend benötigte Medikamente auskommen müssten. Diese Einschätzung Teicherts teilen andere nicht. Es gebe keine Hinweise auf eine solche Gefahr, sagte der Präsident der Landesärztekammer, Günther Matheis, auch nicht von der Kassenärztlichen Vereinigung. Von Apotheken etwa seien Notdienste eingerichtet worden und mobile Arztpraxen im Einsatz. Auch das DRK stützte diese Einschätzung.

Mediziner: „Das System funktioniert“

Marcus Friedl, Facharzt für Innere Medizin, der zusammen mit seiner Frau eine Praxis in Bad Neuenahr leitet, sprach davon, dass die medizinische Grundversorgung in seiner Stadt gewährleistet sei. „Natürlich sind wir von einer Normalversorgung meilenweit entfernt“, sagte er auf Anfrage der RHEINPFALZ am Donnerstag. Viele, die auf intensive medizinische Hilfe angewiesen sind, seien bei Verwandten untergekommen oder anderweitig versorgt. Seine Praxis sei jetzt „ein Fall für die Kernsanierung“. Zurzeit versorgen er und seine Frau Patienten in einer Notpraxis im Altenheim St. Anna in Ahrweiler. Auch die Beschaffung von Medikamenten sei kein Problem. Wenige Tage nach der Flut habe er mehrere Patienten mit einer Magen-Darm-Grippe behandelt. Deren Anzahl sei jedoch wieder zurückgegangen. Auch die Anzahl von Wundinfektionen gehe zurück. „Das System funktioniert“, so der Mediziner. Auch das Gesundheitsministerium bewertet die medizinische Versorgung in der Region als stabil.

Eine Gefährdung für die Bevölkerung stelle derzeit jedoch die Umweltverschmutzung dar, so der Krisenstab. Es gehe dabei um die Verunreinigung von Wasser und Schlämmen durch Kraftstoffe, Fäkalien und Chemikalien. Er forderte die Menschen deshalb auf, Handschuhe und Schutzkleidung zu tragen. Zudem werde der Boden untersucht.

Gewerkschaft der Polizei: „Beamten schlägt Wut entgegen“

In einem internen Bericht der Direktion Bereitschaftspolizei der Bundespolizei, aus dem die „Bild“ am Donnerstag zitierte, heißt es, die Versorgung der Bevölkerung werde von den Einsatzkräften in Rheinland-Pfalz als „problematisch bewertet“. Viele Betroffene seien stark traumatisiert, die Akzeptanz gegenüber den Einsatzkräften sinke „stetig“.

Das habe nicht nur damit zu tun, dass

die Versorgung mit Trinkwasser und Strom teilweise noch nicht vollständig wieder gewährleistet sei, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für die Bundespolizei, Andreas Roßkopf. Den Polizisten schlage auch Wut entgegen, wenn sie Menschen, die ihr Hab und Gut retten wollten, am Betreten ihrer einsturzgefährdeten Häuser hindern müssten.

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