Panorama Reise in eine bessere Zeit

In der Hotelhalle wird die Ursprungsverwendung als Flughafenterminal deutlich.
In der Hotelhalle wird die Ursprungsverwendung als Flughafenterminal deutlich.

«New York.» Eine interkontinentale Flugreise ruft heutzutage beim Fliegenden selten ungetrübte Vorfreude hervor – im Zeitalter von Sicherheitskontrollen, Massenflugbetrieb und hoffnungslos überfüllten Lufträumen. An eine Zeit, in der Flugreisen Inbegriff von Abenteuer und Luxus waren, kann sich kaum mehr jemand erinnern. Die Ära, in welcher das mühelose Überwinden von Ozeanen noch ein Wunder war und man sich schick machte, um in Kabinen von Flugzeugen wie der Super Constellation nach dem Abheben feierlich einen Martini zu trinken, liegt mittlerweile fast zwei Generationen zurück. So war es allzu treffend, dass das Terminal, das wie kein anderes die Euphorie jener Zeit symbolisierte, am New Yorker John F. Kennedy Flughafen seit beinahe 20 Jahren brach lag. Der schwungvolle Bau war zu einer vergessenen Kuriosität verkommen; Passagiere der Kabinenbahn, die die Terminals verbindet, fragten sich bestenfalls beim flüchtigen Blick aus dem Fenster, was es denn mit diesem seltsamen Gebilde auf sich hat, das da vor sich hin gammelte. Seit Mitte Mai kann man sich auf eine Zeitreise in eine vergangene Epoche begeben und in die Stimmung jener Tage eintauchen, in der technischer Fortschritt noch das Versprechen einer Zukunft unbegrenzter Möglichkeiten war und das moderne Leben als schöne neue Welt der Annehmlichkeiten und des Fortschritts erschien. Das Terminal der mittlerweile verblichenen Airline TWA, 1962 vom damals prophetischen Star-Architekten Eero Saarinen erbaut, ist als Hotel wieder auferstanden. Alles an New Yorks nunmehr spektakulärstem Hotel, wie der umgewandelte Bau von der Kritik gepriesen wird, erinnert an die Zeit, in der man beim Fliegen noch kein schlechtes Gewissen wegen des CO2-Ausstoßes hatte und als Zigaretten und Whiskey noch zu einem gelungenen Nachmittag gehörten. Die durchgehend geschwungenen Linien des Baus, der wie ein Zwilling der Berliner schwangeren Auster anmutet, die Interieurs mit Einrichtungsgegenständen von Mies van der Rohe und der legendären Design-Firma Knoll sowie die Original TWA-Outfits des Personals versetzen einen direkt zurück in die 60er Jahre. Und wem das nicht genug ist, der kann sich sogar im Innenhof des Hotels in eine wieder hergerichtete Super-Connie setzen oder eines der Telefone mit Wählscheibe benutzen. Die 275-Millionen-Dollar-Restaurierung des Terminals durch die Bauentwicklungsfirma MCR trifft den Zeitgeist in New York ins Herz. Ein Überdruss mit der austauschbaren Glas-Architektur der allgegenwärtigen Luxus-Wohnbauten und Shoppingmalls hat eine Nostalgie für die Ära vor der Zeit hervorgerufen, in der es zur wichtigsten Anforderung an einen Bau wurde, transparent zu sein. Seinen eigentlichen Zweck erfüllte das Terminal nicht gut, es stellte sich für den Fortschritt rasch als wenig funktional heraus. Schon bei seiner Eröffnung 1962 schrieb die „New York Times“, der Bau könne nicht den Anforderungen des modernen Flugverkehrs gerecht werden. Doch jetzt, als Hotel, dient er als Erinnerungsstück an ein unschuldigeres, besseres Amerika. „Im Jahr 1962“, so Bauherr und Hotelier Tyler Morse, „schien in Amerika alles möglich“. Damals war der Wohlstand in den USA auf einem Höhepunkt, der breiten Mehrheit der Gesellschaft ging es so gut wie nie. Das internationale Ansehen das Landes war von kriegerischen Abenteuern wie Vietnam noch unbelastet, die Aura des Weltenretters aus dem Zweiten Weltkrieg glühte noch nach. Und der junge Präsident John F. Kennedy versprach, aus den USA eine bessere, gerechtere Gesellschaft zu machen, als je zuvor. Heute sind die Dinge in Amerika weitaus komplizierter geworden. Für 250 Dollar pro Nacht lässt sich nun aber ein Kurzausflug in diese schönere, bessere Zeit unternehmen.

x