Zweibrücken Zweibrücken: Die Passage Schreiner wird abgerissen

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Container voll mit Bauschutt vor dem hinteren Eingang der ehemaligen Passage Schreiner zeigen es an: Hier wird schwer gearbeitet. Die Gewobau lässt das Gebäude, das einst den Spielwarenladen beherbergte, gerade entkernen. Später soll es abgerissen werden. Bei einer Baustellenbegehung kommen Erinnerungen an Kindheitstage hoch.

Man betritt die Baustelle durch die Schwingtür auf der rückwärtigen Seite des Gebäudes. Die Türgriffe sind immer noch die beiden massiven Metallherzen mit dem eingravierten Vedes-Logo. Vedes, das ist jener Zusammenschluss von Spielzeugherstellern, den in Zweibrücken und Umgebung in den 80er- und 90er-Jahren jedes Kind kannte. Vor Weihnachten flatterte nämlich mit der Werbung für Globus, Interkauf und nicht zuletzt für den Zebramarkt auch der Spielzeugkatalog von Vedes ins Haus. Damit konnte man perfekt den Wunschzettel erarbeiten. Weil der Katalog so viele schöne Dinge zeigte – Highlight war das Piratenschiff von Playmobil – fiel der Zettel immer viel zu groß aus. Durch die Tür geht es ein paar Stufen hinauf. Rechts an der Wand sieht man noch leere Setzkästen. Da standen früher die Loks und Wagons von Märklin drin. Der angedeutete Zug, mit dem diese Setzkästen umrandet waren, ist noch da. Es sieht fast aus wie früher, nur eben leer. Doch an der obersten Stufe angekommen, ist von dem einstigen Spielzeugladen nichts mehr zu erkennen: Geröll, unverputzte Wände, Bretter, Scherben, Baustelle eben. Weiter geht es von der Treppe Richtung Busbahnhof. Rechts davon war früher die Modellbahnabteilung. Links stand dann irgendwann ein Supernintendo. Da konnte man den ganzen Tag die neusten Videospiele ausprobieren. Zumindest theoretisch. Den faktisch war das Ding immer besetzt. Von älteren Jungs, die meistens mit grimmigem Blick klar machten, dass man warten könne bis zum Sanktnimmerleinstag. Man würde nie selbst spielen können. Jetzt liegt hier ein großer Haufen Steinschutt, die älteren Jungs sind längst weg. Hinter dem Supernintendo befand sich früher die Bastelabteilung. Da gab es Tonpapier, Kleber oder kleine Lackdöschen, damit man die Modellflugzeuge von Revell bemalen konnte. Beim Stöbern im Schutt kann man sogar ein paar dieser Döschen entdecken. Schnell weiter. Da wo rechts jetzt große Plastiksäcke voll mit Sonderabfall stehen, der recycelt werden muss, war früher die Ladentheke samt Kasse. Dahinter die Steiff-Stofftiere. Die waren sogar in so einer Art Fantasieland einsortiert. Einige der Tiere wurden mechanisch bewegt. Gegenüber und neben der Theke war das Mekka vieler Kinder: Playmobil, Duplo, Lego so weit das Auge reichte, Brettspiele und überhaupt alles was man sich so vorstellen konnte. Jetzt ist da: nichts. Ein Blick ins Obergeschoss darf nicht fehlen. Das war für Kinderkleidung und Babysachen reserviert. Es waren generell bittere Momente, wenn die Mama sagte „Heute gehen wir zum Passage Schreiner“ und einem dann schnurstracks an den Spielwaren vorbei zur Kleiderabteilung, die sich Richtung Busbahnhof befand, führte. Das war Betrug. Schlimmer war nur, wenn es statt Spielsachen Bastelzeug für die Schule gab, oder – oh Graus – Unterwäsche und Socken. Oben bei den imaginären Kinderwagen wird RHEINPFALZ-Fotograf Jo Steinmetz mit der Kamera von Erinnerungen eingeholt. Er blickt über den Busbahnhof. „Hier hab ich 1999 nach einer Scheeß geschaut“, sagt er. „Komm mir gehn, do krieht ma jo die Flemm“, schiebt er nach und hat recht. Die Wendeltreppe, die früher Kinderwagen- mit Kleiderabteilung verband, ist noch da. An der Wand hängen noch ein paar Quadratmeter einer quietschbunten Kindertapete, die Tiere und exotische Pflanzen zeigt. Auf dem Boden findet man immer wieder Puppenarme, zerrissene Spielzeugverpackungen, Werbeflyer aus etlichen Jahrzehnten und natürlich immer wieder Schutt, Bretter, Scherben und Dreck. Ein nüchterner Blick auf das Gebäude zeigt aber auch, dass ein Abriss sehr wahrscheinlich für eine weitere Nutzung sinnvoll ist. Das Haus ist derart verwinkelt und verbaut, dass man es wohl nicht nutzbar machen könnte. Offensichtlich wurde irgendwann die Passage um ein bestehendes Gebäude herum gebaut. Diese vielen Ecken, Winkel und Treppchen, die dem Spielzeugladen einst seinen Charme gaben, und ihn größer haben erscheinen lassen als er wirklich war, sind nun hinderlich. Auch scheint die Bausubstanz nicht mehr die beste zu sein. Nun wird der Spielzeugladen, der schon lange dicht gemacht hat, dem Erdboden gleich gemacht. Für die Kinder von damals ist das sicherlich eine emotionale Nachricht. Die Kinder von heute kennen den Schreiner nicht mehr. Sie haben was verpasst. Mach`s gut Passage Schreiner, du hast die Kindheit von etlichen Zweibrückern geprägt.

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