Zweibrücken Wo die junge Freiheit, der Heiland, in der Wiege lag

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Zum 200. Jubiläum des Oberlandesgerichts haben Wolfgang Ohler, früherer Vizepräsident des OLG, und der Zweibrücker Michael Dillinger das Theaterstück „Freiheit!“ geschrieben. Es handelt vom berühmtesten Prozess des damaligen Appellationsgerichtes: Die Helden des Hambacher Festes, die ein Jahr zuvor das große Bürgerfest organisiert hatten, das zu einer Demonstration demokratischer Ideen werden sollte, mussten sich wegen Hochverrats verantworten.

Der so genannte Assisenprozess der Zweibrücker Geschworenenkammer fand aus Sicherheitsgründen allerdings in der damals rheinbayrischen Festungsstadt Landau statt und endete am 16. August 1833 mit einem Freispruch. Jedoch wurden Philipp Jakob Siebenpfeiffer und Johann Georg August Wirth anschließend von einem Polizeigericht wegen Behördenbeleidigung verurteilt. Konstanze Führlbeck hat sich mit Wolfgang Ohler über das Werk unterhalten, das am 19. Oktober im Zweibrücker Schloss uraufgeführt wird. Die Anregung kam vom Justizministerium, anlässlich des Jubiläums des Oberlandesgerichts. Die wussten, dass ich mich mit der Justizgeschichte befasst habe, und wir haben uns dann sehr schnell auf diesen Prozess geeinigt. Historisch ist das der interessanteste Prozess: gegen die Helden des Hambacher Festes – Philipp Jakob Siebenpfeiffer, Johann Georg August Wirth, Friedrich Schüler, die 1832 in Zweibrücken-Bubenhausen den Deutschen Preß- und Vaterlandsverein gegründet hatten. Sie haben damals quasi die Demokratie erfunden. So hat es auch Heinrich Heine später in Paris kommentiert. „Zweibrücken war das Bethlehem, wo die junge Freiheit, der Heiland, in der Wiege lag.“ Ich war Vizepräsident des Oberlandesgerichts und sehe mich deshalb in der Nachfolge der ersten Richter, Johann Andreas Georg Friedrich von Rebmann und Johann Baptist von Birnbaum. Vor allem Birnbaum war Jakobiner und ein glühender Verfechter des französischen Revolutionsrechts. Dieser Assisenprozess hat in Landau stattgefunden. Landau war damals Festungsstadt. Die Verantwortlichen dachten wohl: Da können wir Ort und Gericht besser kontrollieren. Und den bekanntesten Prozess des Zweibrücker Appellationsgerichts in Landau zu schildern fand ich irgendwie blöd. Ein reines Gerichtsverfahren in einer Stunde auf die Bühne zu bringen ist tröge. Immerhin hat Wirth sieben Stunden plädiert, Siebenpfeiffer drei. Michael Dillinger und ich haben uns dann überlegt: Wir projizieren das nach Zweibrücken, in das Gasthaus Ladenberger, am Tag des Urteils. Hier sitzen Gäste, warten und kommentieren – und feiern dann den Freispruch vom Vorwurf des Hochverrats. Das gibt uns die Möglichkeit, die Ereignisse zu spiegeln. Und man kann auch rausgehen aus dem Prozess. Die fiktive Figur der Gastwirtin bringt jede Menge Slapsticks in das Stück, wenn sie zu allem ihren Senf dazugibt. Die Gäste und der Spielmann steuern folkloristisches Lokalkolorit bei, dadurch wird das Ganze sehr viel leichtgängiger und bekömmlicher, volksnah und unterhaltsam, einfach nicht zu abgehoben. Alles, was über den Prozess gesagt wird, ist historisch. Der Prozess wird zitiert, es wird aus den Plädoyers vorgelesen. Dass sich der Schnellschreiber Franz Xaver Gabelsberger, der den Prozess protokolliert hat, der Drucker Georg Ritter, der das Protokoll veröffentlicht hat, und der Abgeordnete Friedrich Schüler, der sich der Anklage durch die Flucht nach Frankreich entzogen hat, bei der Wirtin Ladenberger am Urteilstag treffen, diese Situation, das Zusammentreffen in diesem Milieu, das ist Fiktion. Und selbstverständlich auch alles, was sie, die Wirtin, sagt. Der flüchtige Friedrich Schüler ist natürlich unerkannt gekommen. Die Dialoge zwischendurch sind auch Fiktion. Diese ersten Jahre waren die Zeit, die das Gericht auch wirklich geprägt haben. Das Zweibrücker Appellationsgericht war das Gericht, das den Code Napoleon in Deutschland populär gemacht und gegen die Restauration behauptet hat – in der hintersten Ecke des damaligen Rheinbayern, nahe der französischen Grenze. Der Code Napoleon hat mit dem ständischen Dreiklassenrecht Schluss gemacht, er hat die Gewerbefreiheit gebracht. Und natürlich stammt der Grundsatz der Gleichheit vor dem Recht aus dem Code Napoleon. Es gab keine Privilegien mehr. Es war das Gericht, das das moderne revolutionäre Recht durchgesetzt hat. Diese Politik hat das Gericht beibehalten – es war immer ein sehr fortschrittliches Gericht. In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts haben wir auch die Demonstranten gegen das Giftgaslager im Pfälzer Wand freigesprochen. Wir sind der Meinung, dass wir unsere demokratischen Traditionen hochhalten sollten.

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