Zweibrücken Präventionstheater: Wer nur noch zockt, verpasst das Leben

Nach der Veranstaltung sprachen die Schauspieler mit den Schülerinnen und Schülern über die Suchtgefahren des Internets. Gespann
Nach der Veranstaltung sprachen die Schauspieler mit den Schülerinnen und Schülern über die Suchtgefahren des Internets. Gespannt schauten sie in ihren Handys nach, wie viel Zeit sie täglich im Netz verbringen.

Das Präventionstheater „Philotes – Spiel um Freundschaft“ in der Herzog-Wolfgang-Realschule plus zeigte Verhaltensmuster von Onlinesüchtigen. Schüler erkannten sich wieder.

„30 Prozent der Jugendlichen befinden sich im Risikobereich der Onlinesucht“, erklärt Markus Carbon von der Diakonie Pfalz beim Präventionstheater „Philotes“. Dieses spielte am Freitag in der Herzog-Wolfgang-Realschule plus vor Schülern der sechsten und siebten Klasse.

Anzeichen von Onlinesucht sieht Carbon, wenn ein Kind „immer abgelenkt ist, bei allen anderen Angeboten die digitalen Medien wählt, nur von einer Sache spricht, über den Konsumzeitraum lügt und Leistungseinbrüche in der Schule hat“. Die Hauptfigur des Stücks, Emmy, weiß beispielsweise keine Antwort – außer Zocken – auf die Frage, weshalb sie morgens aufsteht. Auch zeigt sie aggressives Verhalten: Emmy schreit ihre Mutter an, wenn sie ihr das Zocken verbieten und mehr Kontakt mit ihr will, und wirft Dinge nach ihr. „Die haben sich wiedererkannt“, erklärt Carbon betroffene Kindergesichter im Publikum.

„Das beginnt schon mit der Toniebox“

Die Mutter, gespielt von Theaterleiterin Beate Albrecht, bittet die Sechst- und Siebtklässler um Rat und stößt auf große Beteiligung. „Ein Zeitlimit, noch fünf Minuten vielleicht.“ „Ich werde rausgeschickt, wenn ich nicht mehr zocken soll.“ „Erst alles andere erledigen und danach zocken.“ Solche Vorschläge fallen. Carbon bringt einen Mediennutzungsvertrag ins Spiel, für den es im Internet Vorlagen gibt. Auch in Abmachungen wie „am Esstisch oder bei bestimmten Ausflügen kein Handy“ sieht er einen Weg zur Regulation. „Daran müssen sich aber auch die Eltern halten.“ Von Anfang an müsse auf die Mediennutzung des Kindes geachtet werden, „das beginnt schon mit der Toniebox“.

„Philotes“ zeigt auch Auslöser ungesunder Mediennutzung. So wird Emmy in der Schule gemobbt, ihre Versetzung ist gefährdet, die Eltern sind zerstritten, der Vater häufig abwesend. Das Spiel dient Emmy als Rückzugsort, in dem sie Anerkennung bekommt und sich nicht mit ihren Problemen auseinandersetzen muss. „Onlinespiele nutzen die gleichen Methoden wie die Kasinos in Las Vegas. Die wollen nicht mehr hohe Einsätze, sondern dass du dranbleibst“, erklärt Carbon. Bei Spielen wie Fortnite starte die neue Runde nach wenigen Minuten automatisch, und auch in „Philotes“ wird durch Äußerungen wie „Du hast nur noch eine Minute“ Druck erzeugt. Auch Mitspielende verleiten zum Zocken. „Sie können nur jetzt“, wie Emmy sagt. Worauf eine Schülerin entgegnet, dass „echte Freunde auf dich warten würden“. Dass man diese in der realen Welt oft vernachlässigt, veranschaulicht das Stück mit Emmys bestem Freund Nuri, den sie mehrfach hängenlässt.

Laut Carbon gehöre Bewegungsmangel, schlechte Ernährung und psychische Krankheiten zu den Gefahren überdurchschnittlicher Mediennutzung. Eine Suchtdiagnose könne aber nur ein Arzt erstellen. Dabei müsse auch der Ausgleich berücksichtigt werden, ob das Kind noch andere Hobbys hat, sich mit Freunden trifft oder Schularbeiten macht.

„Zwei Stunden sind okay“, sagen die Kinder selbst

Die Kinder haben offenbar selbst eine ganz gute Einschätzung, was noch geht und was zu viel ist: Zwei Stunden am Handy oder Rechner seien im grünen Bereich, vier bis fünf Stunden im orangenen, neun Stunden im roten. Dennoch geben einige zu, dass sie manchmal mehr als neun Stunden am Tag zocken, was sie selbst als „zu viel“ bezeichnen. Dabei hätten sie schon viel kaputt gemacht, Controller und Stühle etwa. Zum Ausgleich äußern sie sich ebenfalls. „Ich geh zum Fußball und für die Schule ...“, woraufhin die Schulleiterin lachend einwirft, dass man über den Teil „besser nicht redet“.

Obwohl das Theaterstück die Kinder laut Markus Carbon „voll erwischt“ hat, gab es auch Kritik. „Ihr habt euch nicht geküsst“, bemerkt eine Schülerin enttäuscht zum angedeuteten Kuss der Charaktere Emmy und Lara. Und doch kommt die Botschaft an, die Emmys Freund Nuri für die Schüler hat: „Wir wollen dich hier. Draußen. Das echte Leben ist doch ein viel besseres Game.“

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