Zweibrücken Unglaublicher Lemmens

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Wenn sie im Mainzer Dom spielen, dann steht dort ein besonders festlicher Gottesdienst auf dem Plan. Denn die Mainzer Dombläser begleiten die großen Bischofsmessen mit ihrem eindrucksvollen Klang. Dass sie auch ganz andere Töne produzieren können, erlebte man am Sonntag beim Euroclassic-Festival in der gut besuchten Zweibrücker Heilig-Kreuz-Kirche.

Rund 400 Besucher hatten an diesem Nachmittag auf den Spaziergang bei spätsommerlichen Temperaturen verzichtet, um den virtuosen Klängen des in Zweibrücken durchaus bekannten Ensembles zu lauschen. Besonders, weil das Sextett als Verstärkung den Organisten Lutz Brenner mitgebracht hatte. Die Kombination aus Blasinstrumenten, Pauken und Orgel versprach interessant zu werden. Und tatsächlich wird wohl niemand nach diesen knapp 90 Minuten enttäuscht den Kirchenraum verlassen haben. Das Programm dürfte selbst Gelegenheitskonzertbesucher nicht überfordert haben. Denn die Dombläser und Lutz Brenner hatten durchweg populäre Stücke ausgesucht – und bewiesen, dass man in Altbekanntem viel Neues entdecken kann. Den Auftakt machte Henry Purcells „Overture for Trumpets“ aus der Oper „The Fairy Queen“, die den Sommernachtstraum von Shakespeare zur Grundlage hat. Die ursprüngliche Besetzung des Orchesters bestand aus Flöten, Oboen, Trompeten, Pauken, Streichern und einem Cembalo. Trompeten und Pauken waren in Zweibrücken vorhanden, den Rest des Orchesters musste die eindrucksvolle Rieger-Orgel übernehmen. Das war ein bemerkenswerter Auftakt, dessen feierlicher Atmosphäre sich wohl niemand entziehen konnte. Nur mit Bläsern und Pauken erklang dann eine der bekanntesten Barockkompositionen überhaupt: Georg Friedrich Händels Suite aus der „Wassermusik“. Verblüffend, wie filigran ein Bläserensemble klingen kann. Virtuos war das Orgelspiel bei Johann Sebastian Bachs „Air“ aus der Orchestersuite Nr. 3 BWV 1068. In einer Bearbeitung von Lutz Brenner klang das populäre Werk frisch und jung. Ganz so muss es sich der Komponist vorgestellt haben. Ungewöhnlich hingegen war eine Opernadaption mit Solo-Tuba und Bläsern. Eben Mozart einmal ganz anders mit „O Isis und Osiris“ aus der Oper „Die Zauberflöte“. Nach dieser eher leichten und filigranen Musik wieder eindrucksvoller Einsatz von allen Beteiligten: Der hinreißend aggressive, bis zum Schluss spannungsgeladene Zugriff bei der „Marche Pontificale“ aus der ersten Orgelsonate des belgischen Orgellehrers Nicolas Jacques Lemmens (1823-1881) war einer der Höhepunkte des Abends und wurde von den Zuhörern begeistert gefeiert. Richtig interessant wurden jedoch zwei Vorträge, die sich vom populären Konzept des Euroclassic-Konzerts etwas abhoben. Die Mainzer Dombläser bewiesen mit drei Spirituals von Enrique Crespo (geboren 1941), dass ihre Fähigkeiten weit über die Kirchenmusik hinausgehen. Mit viel Spielfreude und hörbarer Begeisterung wanderten sie in der Welt des Jazz. Gerne hätte man davon mehr gehört. Brenner entlockte seiner Orgel unglaubliche Töne und verblüffende Klangstrukturen, als er sich einer freien Improvisation über gegebene Themen widmete. Überraschend und begeisternd zugleich. Da waren Engelbert Humperdincks „Abendsegen“ aus der romantischen Märchenoper „Hänsel und Gretel“ und der abschließende „Feierliche Auszug“ von Richard Strauss eigentlich nur noch das Sahnehäubchen auf einem prachtvollen Konzert. Dafür gab es nicht enden wollenden Applaus, der mit einer schönen Zugabe belohnt wurde.

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