Zweibrücken Poesie auf Niedrigspannung

Sehr viel Stoff zum Nachdenken liefert die Ausstellung „Ils veulent de la pluie – Sie wollen Regen“ des Kasseler Künstlers Darius Am Wasser in den Galerieräumen der lothringischen Künstlergruppe Artopie in Meisenthal. Mit einem Stromnetz und diversen Erlebnisstationen im Raum hat der Balkenhol-Stipendiat ein Werk geschaffen, das gewohnte Gedankengänge in Frage stellt und damit neue Wege für die grauen Zellen eröffnet.

Für einen Künstler, der aus Kassel kommt, muss es wohl solch eine Art von Kunst sein. Immerhin wird die ganze Stadt alle fünf Jahre mit konzeptuell-intellektueller Kunst auf Weltniveau konfrontiert. Das hinterlässt sicher Spuren. Und so fühlt sich der Besucher der Artopie-Galerie in der früheren Vergolderfabrik auch an Documenta-Hallen erinnert, wenn der großteils leere Raum mit den gespannten Drähten zum ersten Mal zu sehen ist. Darius Am Wasser, so der Künstlername von Darius Voehringer, war drei Monate auf Einladung des renommierten Bildhauers Stephan Balkenhol zu Gast in Meisenthal. Dabei entwickelte die Arbeit, die mit einem Kabel aus der Wand beginnt. Dort hat sich der Künstler den Strom geholt, der in einen Transformator übergeht, welcher in einer braunen Brühe steht und die 220 Volt auf zwölf runtertransformiert. Entlang von gläsernen Isolatoren hat der 34-jährige Künstler die blanken Stromkabel durch den Raum in einer Höhe gespannt, die für die meisten Besucher als Weidezaun für den Kopf wirken dürfte und den Betrachter zu permanenter Aufmerksamkeit zwingt, falls da wirklich Strom drauf war. Die Stromtrasse geht über einen Leuchtkasten mit steriler Erde und sterilem Wasser sowie sterilem UV-Licht zu einem Computerbildschirm, dem eine zweite Scheibe vorgesetzt wurde und in dessen Zwischenraum zwei Fliegen als analoge Spieler agieren sollten. Die Mücken haben es nicht lange überlebt. Weiter geht es zu einem Endlosfilm in einer kleinen Super-8-Filmschleife, die den Künstler selbst auf einer Minileinwand zeigt, wie er gegen sich selbst Schach spielt. Eine weitere Station ist ein altertümlicher Kassettenrekorder, der beim Einschalten die Stimme des Künstlers hören lässt, wie er die Charta der Menschenrechte auf französisch vorliest. Poetische Anklänge bietet der Künstler beispielsweise mit einer filigranen Baumwurzel. Die normalerweise unsichtbare Schönheit des Wurzelgeflechts wurde vom Künstler behutsam sichtbar gemacht. Darius Am Wasser arbeitet als konzeptueller Künstler mit einem poetischen Ansatz. In „Ils veulent de la pluie“ thematisiert er die Zusammenhänge von Informationen zwischen den Menschen, der Natur, macht gedankliche Ausflüge in die Quantenmechanik, spekuliert und lässt viel Raum für eigene, gedankliche Ausflüge des Betrachters, sofern dieser sich darauf einlassen will. Der Künstler entfernt die Funktionen und die Begriffe von ihrem ursprünglichen Platz, um sie einen neuen Verständnisbereich einzuführen. „Es ergeben sich fremde Gestalten der Logik“, erklärt der Künstler selbst dazu. Ein paralleles Verständnis der Dinge ist sein Ziel mit „Ils veulent de la pluie“. Darius Voehringer wurde 1980 in Frankreich geboren und reiste mit seinen Eltern, zwei Missionare, in viele Länder West- und Osteuropas. Reisen wurde für ihn zur Lebenserfahrung und zum Ausgangspunkt für seine künstlerische Positionen. Kunst studierte er an der Kasseler Kunsthochschule.

x