Zweibrücken „Mich müssen sie dort oben raustragen“

Zweibrücken hat drei Tage lang Stadtfest gefeiert, jetzt kehrt wieder Normalität ein. Und diese Normalität ist bitter, die drohende Insolvenz der Flughafen GmbH treibt die Menschen um. Gestern hat es sie auf den Herzogplatz getrieben, zur Demonstration gegen die Flugplatz-Schließung. An die 500 Menschen kamen, darunter Beschäftigte des Flughafens und deren Angehörige. Sie hörten Ernüchterndes und Hoffnungsvolles. Etwa vom rheinland-pfälzischen Sozialminister Alexander Schweitzer. „Es wird für Sie ein Angebot geben“, sagte er, um jeden werde sich die Landesregierung „individuell kümmern“, sollte es notwendig sein.

Schweitzer war stellvertretend für Infrastrukturminister Roger Lewentz gekommen. Dieser sei verhindert, weil er einen Familienangehörigen ins Krankenhaus bringen musste. Der Minister für Arbeit und Soziales musste zeitweilig gegen laute Buhrufe anreden, vereinzelt schallten auch erboste Zwischenrufe („Aufhören!“) zu ihm herüber. Schweitzer sagte, man müsse die EU-Entscheidung zur Kenntnis nehmen, man werde sich aber dagegenstemmen. Er sagte den Flughafen-Arbeitnehmern Unterstützung zu, dafür müssten unabhängig von Parteibüchern alle an einem Strang ziehen. Julia Klöckner, die CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag, meinte, es sei zu einfach, der EU die Schuld zu geben. Die Fehler, die zur Misere geführt hätten, habe die Landesregierung gemacht. Nach geltendem EU-Recht hätte die Regierung die Zahlungen an den Zweibrücker Flughafen anmelden müssen, das sei versäumt worden. „Jetzt brauchen wir einen Masterplan für die Westpfalz“, sagte sie. Auf die lange Bank geschobene Projekte wie der vierspurige B-10-Ausbau und der S-Bahn-Anschluss müssten verwirklicht werden, außerdem flächendeckend schnelles Internet. Um den von Arbeitslosigkeit bedrohten Flugplatz-Beschäftigten zu helfen, solle eine Transfergesellschaft gegründet werden, sagte Klöckner. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende der Flugplatz-Beschäftigten, Markus Rademacher, gab sich kämpferisch. „Mich müssen sie dort oben raustragen, ich gehe nicht freiwillig.“ Die EU wisse nicht, was sie ihm und seinen Kollegen antue. „Es geht nicht nur um die Arbeitsplätze der Flughafen Zweibrücken GmbH. Ob Werften oder Sicherheitsunternehmen, es sind viele Firmen von der Schließung betroffen.“ Verdi-Geschäftsführer Jürgen Knoll erinnerte an die schlagzeilenträchtigen Milliardengräber der letzten Jahre wie Stuttgart 21 oder den neuen Berliner Großflughafen. „Die Menschen hier brauchen Unterstützung und Solidarität. Sie brauchen Arbeitsplätze“, sagte Knoll. Trotz der derzeit schwierigen Lage sei er optimistisch: „Diese Region hat Zukunft.“ Jürgen Gundacker, Verbandsbürgermeister von Zweibrücken-Land, sieht mit dem Flughafen eine wichtige Säule der regionalen Entwicklung wegbrechen. „Ein schwerer Schlag für die Region“, sagte er und stellte die Frage: „Wie kann eine EU-Kommission entscheiden, ohne hier vor Ort gewesen zu sein?“ Landrat Hans Jörg Duppré nannte die Brüsseler Entscheidung „entsetzlich“. In den letzten 20 Jahren sei in der Region eine Aufbruchstimmung spürbar geworden. „Ein Stoppen dieser Stimmung werden wir nicht hinnehmen. Kleinbeigeben werden wir nicht.“ Peter Jakobi, zweiter Vorsitzender der Flughafenfreunde Zweibrücken, forderte: „Der Flughafen muss erhalten werden. Er darf nicht für die Fehler der Politik geopfert werden.“ Dieser Einschätzung schlossen sich Dieter Weber vom Bündnis Zweibrücker Wirtschaft und Jean Louis Chudz, Vizepräsident für Wirtschaftsförderung im Bitscher Land, an. Weber sagte, man brauche eine neue Säule der Konversion, um die Säule Flughafen zu ersetzen. „Nur Firmen schaffen Arbeitsplätze, die Politik muss dafür die Rahmenbedingungen schaffen.“ Chudz nannte die Entwicklung auch aus französischer Sicht „einen Schlag ins Gesicht. Hier wurde über die Köpfe hinweg entschieden.“ Abschließend äußerte Oberbürgermeister Kurt Pirmann noch mal seinen Unmut. „Das kann doch kein Mensch verstehen, was hier mit uns passiert“, sagte er. Man wolle sich nicht kleinkriegen lassen, sagte er. „Glück auf, ab morgen geht’s los.“

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