Zweibrücken Im Rokokoschlösschen

Machtvoll und doch geschmeidig füllte das Orgelspiel von Kantor Helge Schulz an der Ott-Orgel am Montagabend die Zweibrücker Alexanderskirche, in der etwa 25 Zuhörer dem fesselnden Programm folgten, das Raritäten aus Barock, Romantik und Moderne umfasste.

Mit seinen sicheren Registerwechseln überzeugte der Organist in der Fantasie und Fuge c-Moll des Bach-Sohnes Carl Philipp Emanuel (1714-1788). In den Zwischenspielen und Durchführungspassagen der Fuge klang hier der empfindsame Stil immer wieder durch. Er bildete einen reizvollen Kontrast zu dem feierlich-strengen Hauptthema der kontrapunktischen Fuge. Die einfach geführte, innig-verhaltene Melodie von Johann Sebastian Bachs Choralbearbeitung „Herr Jesu Christ, dich zu uns wend’“, von gebrochenen Akkorden umspielt, hob Schulz in seinem Spiel plastisch hervor. Reliefartig ließ er in nahezu unmerklichen Schattierungen ein Klanggeflecht entstehen. Zur lautmalerischen Ausgestaltung der Elemente in Reinhard Ohses (Jahrgang 1930) Sonate „Woge und Wind“ op. 149, komponiert nach Eindrücken aus einem Sommerurlaub auf der Ostseeinsel Hiddensee, zog Schulz alle Register: Themenfragmente, die immer wieder in arpeggierte Akkorde auslaufen, zeichneten im Rondo die Bewegungen der sich brechenden Wellen nach. Permanent wiederholte kurze Motive, die an sowohl an Claude Debussy in „La cathédrale engloutie“ als auch an die Minimal Music von Philip Glass erinnerten, strukturierten „Das versunkene Kloster“ und verliehen dem Mittelteil der Sonate einen beharrlichen Charakter. Die virtuosen fallenden Glissando-Läufe des Finales leiteten ein machtvolles Thema ein. Es setzte zu immer neuen Anläufen an und wurde immer dichter – während sich Themenfragmente wie Lianen umschlangen. Eine düster-dräuende Passage, eine Choralmelodie, wurde schließlich zum Hoffnungsschimmer. Die unverwechselbare Eigenart dieser düsteren Klangfarbenpalette, die Schulz in meisterlich nuancierter Interpretation nachzeichnete, wandte sich so der tiefen, dunklen Klänge ins Positive. Wie einen Nachhall aus ferner Zeit ließ der Organist in feinsten dynamischen Abstufungen die Echo-Effekte in Robert Schumanns „Fuge über B-A-C-H“, opus 60, Nr. 1, klingen. So hob er den romantischen Charakter dieses Werkes in seinem ungemein plastisch konturierten Spiel hervor. Es entfaltete einem Orchester vergleichbare Raumklangwirkungen. Sie wurden durch den Wechsel zwischen tiefen und hellen, lichten Registern noch unterstrichen, bevor Helge Schulz das Werk in sich übersteigernder romantischer Klangfülle enden ließ. Höchste atmosphärische Dichte zeichnete das wogende Klangfeld aus, mit dem Schulz in Sigfrid Karg-Elerts (1877-1933) sinfonischem Choral „Ach bleib mit deiner Gnade“ op. 87, Nr. 1 zu dem melodiösen Thema überleitete, das in verschiedenen Registern wiederkehrte und dem Werk den Charakter eines musikalischen Dialoges verlieh. Leicht, wie der Nachhall von Tanzschritten in einem Rokokoschlösschen, harmonisch abgedimmt und eingedunkelt, wirkte das Allegro moderato aus der Sonate E-Dur, op. 38 von Otto Emanuel Olsson (1879-1964). Eine meditative Stimmung ließ Schulz mit extrem differenziertem Spiel in der langsamen, dunklen, ostentativ kreisenden und sequenzierten Melodie der Fuge und Meditation entstehen. In kraftvollen, sich überstürzenden Tempi schuf er im fulminanten Finale tönend bewegte Formationen, die in ein markantes Schlussthema mündeten. „Ich fand es sehr schön“, meinte Irmgard Alberternst, eine Zuhörerin, noch sichtlich bewegte und zutiefst beeindruckt. „Vor allem moderne Werke wie ,Wind und Woge’ sind sehr erfrischend, und das Spiel von Herrn Schulz ist einfach großartig, er ist ein großer Künstler“, fasste die begeisterte Hobbysängerin, die auch in der Kantorei mitsingt, ihre Gefühle in Worte. (knf)

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