Zweibrücken Geschichten rund ums Meer

Was gibt es Unterhaltsameres, als Geschichten zu lesen oder ihnen zuzuhören? Oder sie zu sehen? Denn das kann man derzeit in der Homburger Galerie M. Beck. Vier Künstler zeigen dort unterschiedliche Arbeiten unter dem Motto „Geschichte und Geschichten“. Der Zweibrücker Fotograf Jürgen Rinck steuert seine Geschichten einer ungewöhnlichen Nordsee-Kunstaktion bei.

Zwei Künstler beschäftigen sich dabei mit ihren Reisen. Wobei diese ebenso unterschiedlich ausfielen wie die daraus resultierenden Arbeiten. Der in Saarbrücken lebende Wolfgang Pietrzok hat scheinbar eine Weltreise unternommen und dabei beeindruckende Monumente der Architektur mit seiner Kamera eingefangen. Erst bei näherer Betrachtung stellt man jedoch fest, dass die Motive in der unmittelbaren Heimat des Künstlers aufgenommen wurden. Es handelt sich nämlich um Aufnahmen von Modellen, die bis vor kurzer Zeit noch in der Saarbrücker Gulliverwelt beim Deutsch-französischen Garten standen. Von der Idee her sicherlich ganz originell, in der Ausführung jedoch sehr konventionell gehalten, werfen Pietrzoks Fotografien Fragen auf. Als Dokumentation sind sie sicher geeignet, der Sprung zur Kunst hingegen ist nur schwer zu erkennen. Ganz anders ist das bei Jürgen Rinck. Seine Reisebilder sind echt. Sie entstanden 2012 bei einer Radfahrt rund um die Nordsee . Mehr als 7000 Kilometer legte der Zweibrücker mit dem Fahrrad zurück, und das nur mit kurzen Unterbrechungen. Nicht auf beliebigen Wegen, sondern auf einer tatsächlich unter dem Namen Nordsseeradweg bekannten Route, die durch neun europäische Staaten führt. Im sparsamen Reisegepäck war natürlich immer die Kamera dabei, mit der Rinck alle zehn Kilometer während der Fahrt eine Aufnahme machte. Ganz unabhängig vom dort zu sehenden Motiv und streng nach dem von Jürgen Rinck vor einigen Jahren entwickelten Konzept der Kunststraßen. Wer jedoch meint, mehr oder weniger beliebige Fotoplätze würden auch ebenso beliebige Aufnahmen ergeben, der irrt sich im Falle von Rinck gewaltig. Zum einen erschließt sich der Reiz aus der seriellen Reihung der Fotos, die dem Betrachter den Eindruck vermittelt, er sei selbst unterwegs. Zum anderen entstanden auch spannende Einzelmotive, die durch den ungewöhnlichen Blickwinkel oder einen im besten Sinne seltsamen Kontext auffallen. Da geht der Blick über die Weite des Wattenmeeres, dessen Eintönigkeit durch Fußspuren unterbrochen wird. Das Bild einer alten Eiche im schwedischen Molestad macht das Naturdenkmal selbst zum Kunstwerk. Und das „Haunted House of Bergen“ zeigt ein zerfallenes Gebäude, wie es jeden Horrorfilm zieren würde. Dass manche der ausgestellten Fotos verfremdet wirken, liegt an deren besonderer Aufnahmeart. Nicht mit der großen Spiegelreflex-Kamera hat Rinck gearbeitet, sondern mit der im Smartphone eingebauten Kamera nebst deren Softwarefiltern. Sie sind Teil einer Kunstrichtung, die der Zweibrücker „Appspressionismus“ getauft hat. Das Wort bezieht sich auf den Begriff „App“, der für eine (Software-)Anwendung steht. „Wenn man das, was ich tue, nicht in die herkömmlichen Kunstsparten einsortieren kann, und es auch kein rein literarisches Projekt ist, muss man einen neuen Begriff prägen“, sagt Jürgen Rinck. Damit gemeint ist die Kombination aus Fotografie, Literatur, nüchternen Datensätzen und einem modernen Blogsystem, die im Endeffekt zu einem neuen Gesamtkunstwerk führt. In Zusammenhang mit der Nordseereise ist so auch ein literarisch-experimentelles Buch entstanden, „das den Reiseverlauf dokumentiert, aber auch philosophische, futuristische Elemente enthält bis hin zu kabarettistischen Einlagen.“ Die beiden anderen der vier Künstler aus dieser Ausstellung bei der Galerie Beck beschäftigten sich mit Malerei. Der Berliner Thomas Schliesser hat mit seinen farblich auf Rot und Schwarz reduzierten Bildern Anregungen für den Betrachter geschaffen, aus den Motiven eigene Geschichten zu erzählen. Die französische Malerin Lysiane Beck entführt den Betrachter in ihre ganz eigenen Landschaften. Mit eher gedämpften Farben entwickelt sie eine Welt, die von der Wirklichkeit weit entrückt zu sein scheint. Fremdartig und dennoch vertraut wirkt der Spaziergang durch baumbestandene Flussufer, an denen sich vereinzelt Menschen aufhalten. Auch das sind Geschichten, die einfach erzählt werden müssen.

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