Zweibrücken „Das Schöne muss über das Schreckliche siegen“

Die Volkshochschule Kaiserslautern möchte eine Bronzeskulptur des aus Kaiserslautern stammenden und in Zweibrücken aufgewachsenen Bildhauers Gérard Koch (1926-2014) kaufen. Dafür startete VHS-Direktor Michael Staudt im Januar eine Spendenaktion, die heute endet. Stadt daran, die Werkgruppe „Tanzende Schilde“ des deutsch-französischen Künstlers zu kaufen. Marita Gies sprach mit Staudt, der bislang 8400 Euro eingesammelt hat.

Es ist ja nun nicht die originäre Aufgabe einer Volkshochschule, Kunstwerke anzukaufen und auszustellen. Wie kamen Sie auf die Idee?

Die politische und kulturelle Bildung sind ein wichtiges Themenfeld an unserer Volkshochschule. Mit dem Ankauf von Kunstwerken haben wir in den letzten Jahren eine jahrzehntealte Tradition der Volkshochschule wieder aufgegriffen. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges hat die Volkshochschule immer wieder, um die regionale Kunstszene zu unterstützen, Kunstwerke angekauft und öffentlich in der Volkshochschule ausgestellt. In unseren Gängen und Räumen hängen daher viele Werke von Künstlerinnen und Künstlern aus der Region. Kunstausstellungen finden zudem mehrfach im Jahr statt. Sicherlich hätte ich den Ankauf eines Werkes über die Stadt und mit Mitteln von Kunst am Bau, beispielsweise beim Neubau der Berufsbildenden Schule, begrüßt. Aber aus finanziellen Gründen wurde davon städtischerseits Abstand genommen. Da für mich das finanzielle Argument nicht nachvollziehbar war, haben die Kulturbürgermeisterin als Vorsitzende der VHS und ich beschlossen, den Ankauf eines Werkes mit bürgerschaftlichem Engagement zu organisieren, getreu dem Motto von Erich Kästner: „Es gibt nichts Gutes außer man tut es.“ Warum haben Sie sich für Gérard Koch entschieden? Gérard Koch ist 1926 als Günther Manfred Julius Koch in Kaiserslautern geboren. Als Kind von Eltern jüdischen Glaubens konnte er die Pfalz in einem Rothschildt-Kindertransport kurz nach der sogenannten Reichskristallnacht 1938 nach Frankreich verlassen, wurde dort in Straßburg von einer französischen Familie adoptiert und bekam seinen neuen Vornamen Gérard. Seine Mutter konnte ihn so retten, während alle anderen Familienmitglieder nach Gurs und später in die Vernichtungslager deportiert worden sind. Zudem hat die VHS eine besondere Beziehung zu dem Künstler, dadurch dass wir in Zweibrücken, Kaiserslautern, im Landtag in Mainz und in Rockenhausen gemeinsame Ausstellungen organisiert haben. Außerdem hat Gérard Koch 2010 den renommiertesten Kunstpreis der Académie des Beaux Arts verliehen bekommen und war seit 1990 im Vorstand der einflussreichen Künstlervereinigung Salon de Mai, die in Paris die berühmten Kunstausstellungen im Mai organisiert. Künstler von diesem Rang hat die Pfalz nur sehr wenige hervorgebracht. Er war Atelierleiter bei den berühmten Künstlern Emanuel Auricoste, Henri Laurens und Ossip Zadkine und schon in jungen Jahren vielfacher Preisträger. Sie haben eine n Benefizabend für den Kauf der Skulptur „Der Schrei − Kunst wider das Vergessen“ genannt. Dabei denkt man an Edvard Munchs Gemälde „Der Schrei“. Sind Kochs Bronzeskulpturen ähnlich in ihrer Aussagekraft? Gérard Koch hat sich lange Zeit nicht von seinen Erlebnissen in der Zeit des Nationalsozialismus befreien können. Er war gefangen in den Fragen nach dem Wozu und Warum. In dieser Zeit hat er ausdrucksstarke Bronzeplastiken geschaffen mit den Bezeichnungen „Der Schrei, der Schmerz, die Verzweiflung“, die gebeugte und schmerzverzerrte Köpfe und verstummte Schreie zeigen, Ausdruck von Ohnmacht und Aufbegehren zugleich. Erst in den letzten Jahren hat er bei Ausstellungen diese Werke der Öffentlichkeit wieder präsentiert und seinen Frieden gefunden mit dieser Schaffensperiode. Es soll ein neueres Werk von Koch angekauft werden. Warum? Wir möchten mit den Spenden ein neueres Werk von Gérard Koch ankaufen, da wir wissen, dass er sich naturgemäß mit diesen − wie jeder Künstler − am stärksten identifiziert hat. Zudem wollte er nie ein „Opferkind“ sein, will heißen, er wollte sich immer vom aufgezwungenen Stigma als Opfer des Nationalsozialismus lösen. Seine Kunst sollte sprechen, nicht seine Vergangenheit. Denn sein innerer Überlebensdrang hieß letztlich: „Das Schöne muss über das Schreckliche siegen.“ Extreme existenzielle Erfahrungen, wie sie das Leben Gérard Kochs zeichnen, prägen aber auch die neueren Werke. Raum und Bewegung sind ihm dabei ganz wichtig und erzeugen eine spirituelle Tiefe.

x