Zweibrücken Das neue Leben der Bücher

Wer in der aktuellen Ankündigung einer Ausstellung in der Zweibrücker Bibliotheca Bipontina den Begriff „Buchkunst“ liest, stellt sich unwillkürlich Illustrationen in gebundenen Druckwerken vor. Steht er dann vor den Arbeiten von Christel Hartz, wird er zunächst verblüfft sein. Denn die Künstlerin hat Buchkunst sehr wörtlich genommen.

Gleich im Eingangsbereich stößt man auf große Collagen, deren genaue Betrachtung lohnt. Das Werk „Leserliches im Rahmen gehalten“ setzt sich aus vielen Elementen zusammen, die Christel Hartz bei ihrer Arbeit übrig behalten hat: Papierschnipsel, Textfragmente, kleine Kügelchen oder Teile von Einbänden fügen sich zu einer spannenden Komposition. Ähnlich agiert sie in dem Werk „Opus III“, in dem Papierstreifen verflochten sind. Eine abenteuerliche Mischung aus alten und neuen Schriften, Cartoons von Loriot und Wilhelm Busch, modernen Werbetexten und Schnittmusterbogen. Was soll man davon halten? Vielleicht fragt man die beiden Zeitungskritiker, die Christel Hartz aus ihren gedruckten Meinungsäußerungen geformt hat. „Ansichtssache“ ist der Titel des Duos, das den Betrachter erstmals schmunzeln lässt. Wer den Weg weiter in den Bibliotheksraum geht, bleibt sicherlich in heiterer Stimmung. Denn die im saarländischen Ommersheim lebende Künstlerin hat sich mit viel Humor an die Arbeit gemacht und so ebenso witzige wie tiefgründige Kunstwerke geschaffen. Grundlage hierfür sind jeweils echte, aufwändig bearbeitete Bücher. Sie werden beschnitten, eingefärbt, es werden filigrane Elemente eingefügt oder Malereien auf die Seiten gebracht. Jedes dieser Bücher bearbeitet ein bestimmtes Thema, das Hartz mit Ironie und hintergründigem Witz überzeugend realisiert. Daneben gibt es Papierskulpturen von Dichtern und deren literarischen Figuren und einige Reliefs aus unterschiedlichen Materialien. Vom Inhalt ganz abgesehen beeindruckt die handwerkliche Ausführung und die große Liebe selbst zum kleinsten Detail. Inhaltlich fesseln die Objekte auf jeden Fall. Sie stehen inmitten des ehrwürdigen Bestands der Zweibrücker Landesbibliothek und bilden einerseits einen deutlichen Kontrast dazu, andererseits harmoniert die Thematik der Arbeiten durchaus mit der sie umgebenden Literatur. Da findet man die Figur von Friedrich Schiller oder dessen Schriftstellerkollegen Adalbert Stifter. Ein russischer Reiseführer informiert über „Samarkand“, diverse Reclam-Klassiker werden zusammengefasst, ein Liebesroman wird zur „Rostlaube“. Dass Bücher „tiefschürfend“ sein können, beweist Christel Hartz, in dem sie im wahrsten Sinn des Wortes tiefe Höhlen in die Seiten eines Buches gräbt. Keines beliebigen Buches, es ist ein psychologischer Ratgeber, der den Weg ins Unbewusste zeigt. Selbst „Zwischen den Zeilen“ zu lesen wird ermöglicht. Unzählige ausgeschnittene Textzeilen werden in einem Rahmen angeordnet. Doch nicht mit ihrer Fläche nebeneinander, sondern vertikal wie die Seiten eines Buches. So kann man tatsächlich einen Blick zwischen die Zeilen werfen. Letztendlich wird der Schriftsteller zum Magier, der seine literarischen Ergüsse aus einem Zauberzylinder zieht, wie eine putzige Figur beweist. Es scheint fast, als würde Christel Hartz den sonst leblosen Bücher echtes Leben einhauchen. Der Prozess, der normalerweise erst bei der Lektüre im Kopf des Lesers beginnt, wird in den Kunstobjekten unmittelbar. Gleichzeitig ist diese Bildhaftigkeit bereits eine sehr subjektive Interpretation, die versucht, den Betrachter auf die Denkweise der Künstlerin einzustimmen. Ein Vorhaben, das durch und durch gelungen ist.

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