Zweibrücken Am ersten Tag gleich vor die Kamera

Ein Bild muss noch her für die weiße Wand in seinem Rücken. Und eine Grünpflanze, „irgendwas Pflegeleichtes“. Ansonsten ist Martin Graßhoff schon gut eingerichtet in seinem Dienstzimmer im zweiten Stock des Landgericht-Gebäudes am Goetheplatz. Seit 1. Juni ist er Leitender Oberstaatsanwalt, was an seinem Lebensstil aber nichts geändert hat. „Ich gehe nicht Golf spielen“, sagt der 44-Jährige, nach eigener Auskunft Zweibrücker mit Leib und Seele und damit vor allem: bodenständig.

Mit beiden Beinen im Leben stehen, das hält er für wichtig, und so wirkt er auch. Der Behördenleiter ist verheiratet, hat eine neunjährige Tochter, geht drei- bis viermal die Woche laufen und guckt sonntagsabends gerne Tatort. „Aus Spaß“, wie er betont, „ich sitze nicht mit dem Strafgesetzbuch vorm Fernseher und überprüfe, ob da alles richtig läuft.“ Er genieße den Krimi als gute Unterhaltung. Lieblingsermittler? „Schimanski. Obwohl dessen Methoden durchaus inakzeptabel waren.“ Ein weiterer TV-Held seiner Jugend sei Privatdetektiv Matula, „der mit 70 noch über jede Hauswand klettert“. An Vorbildern mangelt’s also nicht. Doch die helfen auch nicht, wenn man gleich am ersten Arbeitstag so kalt erwischt wird wie Graßhoff. „Ich sollte gleich mal eine Stellungnahme im Fernsehen abliefern, beim SWR, zu einem Urteil am Landgericht, bei dem es um Waffenbesitz ging.“ Der ungewohnte Auftritt vor der Kamera habe ihn sehr nervös gemacht, „und ich war auch hinterher nicht zufrieden mit mir, man hat mir die Aufregung schon angemerkt“. Doch öffentliche Auftritte müsse ein Leitender Oberstaatsanwalt eben auch leisten, und Graßhoff ist zuversichtlich, dass das bald Routine sein wird. Immerhin: In Zweibrücken wird er nicht ständig angesprochen. „Ich denke, Lehrern geht’s da schlimmer.“ Er habe noch nie erlebt, dass ihn in der Fußgängerzone jemand angehauen habe und etwas zu einem Fall wissen wollte. „Ich kann mich ganz frei bewegen.“ Sozusagen bei der VTZ aufgewachsen, spielt Bewegung für den Behördenleiter ohnehin eine große Rolle. Das bereits erwähnte Joggen sei für ihn ideal zum Stressabbau. „Was leider nicht mehr geht: 400-Meter-Sprints, wie ich sie früher hingelegt habe. Da ist die Zerrung dann doch zu wahrscheinlich.“ Wenn er sich messen will, geht er sonntags in einer Gruppe joggen, „und daraus wird dann fast immer ein Wettkampf, da ist auch ein Richterkollege aus Landstuhl dabei, und jeder will der Schnellste sein“. Hinterher sei er immer völlig erledigt, aber auch völlig entspannt. Ebenfalls entspannend für Martin Graßhoff: die Toten Hosen hören. Oder die Ärzte. „Wenn die spielen, nehme ich sogar die Mühsal eines Konzertbesuchs auf mich. Mit den beiden Bands bin ich ja aufgewachsen.“ Den Engländer James Blunt findet er auch gut und seit Neuestem Revolverheld. „Da hat mich meine Tochter draufgebracht, und jetzt sind wir beide Fans.“ Er hoffe, dass der Tochter das nicht irgendwann peinlich wird, dass ihr Vater dieselbe Musik hört wie sie. Im Urlaub zieht’s den Familienmenschen traditionell an die Ostsee, „das ist ideal, weil man bei jedem Wetter was machen kann“, und in den bevorstehenden Sommerferien geht’s wieder hin. Experimentierfreude ist nicht so Graßhoffs Ding, weshalb es ihn auch nie wirklich aus Zweibrücken weggezogen habe. „Ich lebe sehr gern hier, habe hier alles, was ich brauche.“ Spricht der Leitende Oberstaatsanwalt und sieht sehr zufrieden dabei aus. Dennoch gibt es auch bei ihm Versäumnisse, die er bereut. „Was ich leider nie gelernt habe, aber gern können würde, ist Kochen, Kraulschwimmen und Tennisspielen.“ Jetzt noch lernen will er’s aber auch nicht, „zu wenig Zeit“, auch wenn er sein Mandat im Stadtrat aufgegeben hat. „Ich wollte nicht, dass auch nur der leiseste Anschein einer Amtsverquickung entsteht“, begründet er diesen Schritt. Was der Tag noch so bringt? Martin Graßhoff zuckt die Schultern. „Weiß nicht. Die Arbeitstage eines Leitenden Oberstaatsanwalts sehen immer anders aus. Und ich mag das.“ Ein bisschen Spaß am Ungewissen ist also dann doch da.

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