Zweibrücken So schippern sie dahin, die Frustrierten und die Glücklichen

Die Geburtstagsgesellschaft redet mehr aneinander vorbei als miteinander, hat aber dennoch Spaß: die Tollkirschen in Aktion.
Die Geburtstagsgesellschaft redet mehr aneinander vorbei als miteinander, hat aber dennoch Spaß: die Tollkirschen in Aktion.

Der einzige Mann, von dem die Rede ist, wird angehimmelt und vernascht – zumindest gedanklich. Es geht um Sascha, den wohl gut aussehenden und charmanten Offizier auf dem Luxuskreuzer „Cala Mares“. Zu sehen ist er leider nie, wie das mehrheitlich weibliche Publikum am Freitagabend bedauerte. Da ging das Kreuzfahrtschiff des Tollkirschen-Ensembles im ausverkauften Homburger Saalbau vor Anker und bot weit über zweieinhalb Stunden pure Frauenpower unter dem Motto „Angetörnt und abgefahr’n“.

Die Bühne im Homburger Saalbau hat sich in ein Kreuzfahrtschiff verwandelt. Die Passagierinnen rücken nacheinander an – mit Koffern, Taschen und jeder Menge Schrullen. Da sind zunächst die zwei Alten, die den Oberpfleger in den Keller des Seniorenheims gesperrt haben. Sie sind mit ihrer russischen Pflegerin getürmt, einer ehemaligen Domina, um sich ein paar abwechslungsreiche Tage an Bord zu gönnen. Ein Zuschauer aus der ersten Reihe wird aufgefordert, den Rollator nach oben zu hieven: „Aber flott.“ Annemie im kindlich-naiven Matrosenkleidchen empfängt die Mitreisenden. Erst aber muss sie noch Betty, die gebuchte Entertainerin und Sängerin, anleiten: Ja, das volle Programm − Lied, Begrüßungsfoto und Nudel − hat die unwillig auftretende Künstlerin zu liefern. Conny – aufgedonnert in einem pinkfarbenen Etwas – mit dem Selfiestick in der Hand lärmt herbei. Völlig überdreht schießt sie gleich Unmengen an Fotos. Sie freue sich irre auf die Reise, die sie – wie mehrfach live zu erleben – überhaupt nicht verträgt. Cool, gelassen und überheblich entert Frau Doktor Bergmann das Schiff. Ihr Mann hat die Reise bezahlt – wie immer als Kompensation für sein Fremdgehen. Nein, sie braucht den Alten nicht, nur sein Geld oder seine Goldcard. Jeder lebt sein Leben – so ist das in manchen gut situierten Ehen. Die Enttäuschungen haben Bergmann gestählt, haben sie hart zu sich und anderen werden lassen. Aber hier an Bord bietet sich nun die Chance, auch einmal etwas Gutes zu tun. Dank ihrer konsequenten Therapie gelingt es der armseligen, peniblen Französischlehrerin Grimm, die Wasserphobie – „Ich trinke nur trockenen Wein“ – zu überwinden. Herrliche Szenen. Nicht zuletzt das choreografisch einwandfrei inszenierte, angedeutete Wasserballett zu „Schwanensee“ begeistert die Zuschauer. Die letzte im Bunde ist Frau Bergmanns Putzfrau Ulla. Welch ein Schock für die Dame aus höheren Kreisen, „dass sich so jemand auf einem Kreuzfahrtschiff überhaupt blicken lassen darf“. Ulla nimmt’s gelassen. Sie weiß genau, wie die feinen Damen ticken, kennt deren Marotten. Später gesteht sie Conny − beide sind aus „Kaschdl“ und schwätzen wie „dehämm“ −, dass sie sich Kleider und Accessoires bei ihrem Auftraggeber geborgt hat. „Nein, die hat so viel, die merkt das gar nicht“, wischt sie Connys Bedenken zur Seite. So schippern sie dahin, die Frustrierten und Glücklichen, die Hoffenden und Enttäuschten. Zur letzten Kategorie zählt Betty, das glücklose Schlagersternchen, das einst sogar beim Grand Prix auftrat. Ob sie je am großen Starhimmel leuchten wird? Die Chance ist ähnlich hoch wie die, dass Annemie einmal in den Armen des angebeteten Sascha landen wird. In Piräus legt das Schiff an. Alle gehen von Bord – bis auf die zwei Alten, die sich mal um den Schwarm aller Frauen kümmern wollen. Einzelne Szenen bestimmen den zweiten Teil des Abends. Vor Klischees triefend, mimen die sieben Akteurinnen − Stephanie Albrecht, Christel Goergen, Walburga Klein, Heidi Müller, Tanja Regitz, Margit Schillo und Marliese Wolter − die Gäste auf Almuts 60. Geburtstag. Eine Hypochonderin, eine stetige Bedenkenträgerin, eine permanent im Stress Stehende, eine Fressende und Saufende und eine gelassene Alte kommen zusammen und reden mehr aneinander vorbei als miteinander. Später kreisen zwei Helikopter-Mamis um ihre erwachsenen Kinder. Ein Glanzlicht setzen zwei Schnäppchenjägerinnen, die sich jedem noch so blödsinnigen Modediktat unterwerfen. Schließlich werden bei einem Flohmarkt aus drei ziemlich besten Freundinnen allergrößte Feindinnen. Höhe- und Schlusspunkt ist der Beitrag unter dem Motto „Wie angele ich mir mit über 40 einen Mann?“. Klar, im Baumarkt. Margit Schillo schaut sich als Vamp dort um. Ihre sechs Mitstreiterinnen stellen die Männer dar, die dort Bohrmaschinen streicheln, Rohre vermessen und ihr Mannsein ausleben. Einfach köstlich. Die brillant sprechenden, singenden und tanzenden Tollkirschen, die ihr Hobby mit Perfektion betreiben, ernten zum Dank für ihre Leistung nicht enden wollenden Applaus.

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