Zweibrücken „Rauchen, Saufen, Scheißefressen“

Eine Arbeit (Ausschnitt) von Marcus Neufanger, die bis 28. November in Homburg zu sehen ist.
Eine Arbeit (Ausschnitt) von Marcus Neufanger, die bis 28. November in Homburg zu sehen ist.

Künstler arbeiten auf ebenso vielfältige wie unterschiedliche Art und Weise. Während die einen exakt die Wirklichkeit erfassen, lassen sich andere von Fantasie und Intuition leiten. Der in Schwäbisch-Hall lebende Maler, Buchautor und Grafiker Marcus Neufanger allerdings hat eine komplexe Art und Weise zu arbeiten, die verblüfft.

So wirken seine Arbeiten vielleicht auf den ersten Blick befremdlich. Sind aber letztendlich ein Produkt präziser Beobachtung, wie eine Ausstellung in der Homburger Galerie und Buchhandlung Art Book Saar derzeit belegt. Es ist ein unscheinbares Haus aus den 70er-Jahren, versteckt hinter einer Natursteinmauer und reichlich grünem Bewuchs. Manch einer ist in der Homburger Ringstraße auf dem Weg ins Stadion oder in die Uniklinik daran vorbeigefahren, ohne es bewusst wahrzunehmen. Eigentlich schade, denn im Erdgeschoss betreibt der Verleger, Galerist und Buchhändler Bernd Detsch ein Ladengeschäft, in dem sich unzählige Kunstbücher befinden. Eine Etage höher hat er jetzt eine Ausstellung organisiert und den Künstler und Buchautor Marcus Neufanger eingeladen, seine ebenso sperrigen wie spannenden Arbeiten vorzustellen. Anlass ist das Erscheinen eines von Detsch verlegten Buchs, in dem Neufanger unter dem Titel „Wer war der? Rauchen, Saufen, Scheißefressen“ 200 Künstler in nur wenigen Worten porträtiert. Hier wird schon offenbar, womit sich der Künstler in erster Linie beschäftigt. Es ist das Wort in seiner Funktion als grafisches Element. Im Buchdruck sind die knappen Beschreibungen ganz am rechten Rand in untereinander gedruckten Worten zu sehen. Dadurch entsteht viel freier Raum, was einerseits den minimalistischen Anspruch, andererseits aber auch eine besondere Ästhetik betont. Minimalistisch sind auch die typografischen Arbeiten von Marcus Neufanger. Etwa Buchtitel, stark vergrößert und somit in ihrer Bedeutung scheinbar verändert. Die Buchstaben teilen die Fläche auf und erzielen somit einen überraschenden Effekt. Der wird fast unbemerkt dadurch verstärkt, dass der Künstler seine Schrifttafeln nicht druckt, sondern in exaktem Pinselstrich malt. So erhalten die Bilder einen individuellen, einmaligen und nicht reproduzierbaren Charakter. Im ersten Moment könnte man meinen, dass damit der Inhalt der Worte in den Hintergrund tritt. Doch das ist wegen der Struktur des menschlichen Gehirns nicht möglich. Denn automatisch liest man Worte und versucht ihre Bedeutung zu erfassen. In der Homburger Ausstellung wird das zur durchaus amüsanten Beschäftigung. Neben den rein grafisch-typografischen Arbeiten beschäftigt sich der 1964 in Nürnberg geborene Künstler auch mit Porträts und comicartigen Zeichnungen. Wobei das Malen von Künstlerporträts anhand fotografischer Vorlagen eine wichtige Rolle im künstlerischen Schaffen von Marcus Neufanger spielt. Er selbst kommentiert diese Malerei mit den Worten: „Die Malerei machte sichtbar, lesbar, aussprechbar, ausstellbar. Es malt, es regnet, es schneit, sind Geheimniszustände. Wer malt, ist damit beschäftigt, die Welt von individuellen Sichtweisen zu reinigen, von seinen und denen der anderen.“ Im Gegensatz zu den Porträts sind die kleinformatigen Zeichnungen der Homburger Ausstellung in schwarz-weiß gehalten. Auch hier spielen Wort und Typografie eine gewisse Rolle – immer wieder als Element der Strukturierung. Die Texte können, müssen aber nicht in einem direkt erkennbaren Zusammenhang mit dem Motiv stehen. Die Verbindung schafft der Betrachter selbst, der so zu neuen Denkprozessen angeregt wird. Die skizzenhaften Zeichnungen bieten ein manchmal verstörend anmutendes Sammelsurium aus Ikonografie und realen Motiven, Erotik durchaus inbegriffen. Sie erinnern fast an Gebrauchsanweisungen. Doch nicht für technische Gerätschaften, sondern für das Leben selbst. Ausstellung Marcus Neufanger: Malerei und Buchkunst; Galerie Art Book Saar, Ringstraße 3, Homburg. Geöffnet bis zum 28. November nach Vereinbarung unter 0172/1004400, E-Mail b.detsch@art-book-saar.de. Weitere Informationen unter art-book-saar.de im Internet.

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