Speyer Wochenchronik:

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Fake News! Nicht doch in der RHEINPFALZ. Hoffentlich nicht. Die Redaktion prüft so seriös, wie es das soziale Netzwerk Facebook lange nicht wollte. Damit hat es erfundene Nachrichten, die sich dennoch verbreiten, weil sie einer Nutzergruppe gerade ins Weltbild passen, erst zum Thema gemacht. Der Aufstieg des gerade eingeführten amerikanischen Präsidenten wird ebenfalls damit in Verbindung gebracht. Was beweist: Mit Unwahrheiten lässt sich Politik machen. Das weiß man natürlich nicht erst seit Trump, aber der hat es natürlich besonders deutlich gemacht. In Speyer gibt’s so was eher im Kleinen. Der großzügige Umgang mit Fakten ließ sich diese Woche etwa im Bauausschuss beobachten. Es ging um einen Supermarkt-Standort in der Siedlung, bei dem Claus Ableiter (BGS) betonte, er bringe gerade für Fußgänger und Radler Vorteile, und Friedel Hinderberger (SPD) entgegenhielt: „Fußläufig geht heute kein Mensch mehr einkaufen.“ Was denn nun? Genosse Walter Feiniler setzte einen drauf und behauptete, die 1399 Unterschriften, die eine Initiative gegen den Standort Waldseer Straße gesammelt habe, kämen alle aus dessen näherem Umfeld. Vergessen hat er dabei, dass im Internet bei Change.org, wo ein Teil der Voten herkam, ganz offensichtlich nicht alles Unterstützer aus Speyer waren – der Reigen reichte bis Luxemburg. Sei’s drum. Ist wohl nicht als Lüge gemeint gewesen, sondern als Vereinfachung unter großzügiger Ausblendung von Details. In der Politik ist das zulässig. Man muss es nur wissen. Noch einmal in die USA: Dort hat eine Sprecherin des neuen Präsidenten Trump diese Woche den Begriff der „Alternative News“ gebraucht, als es um die Besucherzahl bei der Amtseinführung des neuen starken Mannes ging. Jedem seine eigene Wahrheit. Alles Fake News und Alternative News oder was? Ein Beispiel: „Speyer bekommt Radfahrer- und Fußgängerbrücke über die B 39“ – in welche Kategorie gehört dieser Satz? Er war auch Thema in der Bauausschusssitzung, als es um die „Soziale Stadt Speyer-Süd“ ging. Planer Sven Fries hat ihn der heutigen Lösung mit dem so unbeliebten wie dunklen Tunnel unter der Straße entgegengestellt. Alternative News oder echt? Wenn’s so weit nur schon wäre: Fries hat vorbildlich hinzugefügt, in welche Kategorie dieses Teilprojekt der Sozialen Stadt (noch) fällt: „Ein Traum.“ „Deutsche Sopranistin mit drei Kindern muss Geiger mit Migrationshintergrund weichen.“ Von derartigem Niveau könnte eine klassische, rechte Facebook-Freunde empörende Fake News zur Speyerer Sondernutzungssatzung sein. Die Satzung regelt auch Auftritte von Straßenmusikern und ist derzeit Thema im Rathaus. Weil es Kritik an manchen Darbietungen gibt, wird über eine Verschärfung der Auflagen nachgedacht. Sogar die in anderen Städten praktizierte Alternative, dass die Musiker vorsingen oder vorspielen müssen, bevor sie den städtischen Stempel bekommen, sei erwogen worden, sagt Beigeordnete Stefanie Seiler (SPD). Kein Fake! Das klingt nach den Dozenten der städtischen Musikschule im Dauer-Einsatz. Weil die keine Zeit als Prüfer hätten, habe man die Sache sein lassen, sagt Seiler. Für sie gibt’s nichts auf die Ohren – das ist mal Politik mit Augenmaß! Feuerwehrleute müssen sich Bärte abrasieren – kein Fake, kein Witz. Bei einer Einheit in Hessen hat die Leiterin den hippen Vollbärten ihrer Kollegen den Kampf angesagt. Der Sicherheit zuliebe: Wenn es zu dicht wuchere, könnte eine Atemschutzmaske nicht dicht sitzen. Die Frau hat damit für Aufsehen gesorgt, die Reaktionen auf Facebook kann man sich vorstellen. Der Speyerer Feuerwehrinspekteur Michael Hopp sieht es pfälzisch entspannt und sagt lachend: „Das Problem stellt sich bei uns nicht.“ Hier brauche es keine neuen Vorschriften, hier gebe es pragmatische Lösungen, so der Nicht-Bartträger. 70 seiner 105 Leute seien zertifizierte Atemschutzmaskenträger – und bartmäßig tadellos. Tatsächlich habe es „vereinzelte Fälle“ gegeben, in denen langes Haar nicht unter die Masken passte, aber da sei der Kamerad eben etwa als Kraftfahrer eingesetzt worden. Außerdem sei Haar nicht gleich Haar: „Mit einem normal gestutzten Bart oder normalen Koteletten funktionieren die Masken durchaus.“ Wenn in den USA über den Besuch bei der Amtseinführung des schon vor seiner Einführung im Eigenurteil besten Präsidenten aller Zeiten diskutiert wird, kann man Bilder der Zeremonie als Beweis heranziehen. Zum Glück. Wenn es in Speyer wie in dieser Woche um den besten Supermarkt-Standort oder um den richtigen Weg für ein so wichtiges Gelände wie den Industriehof geht, dann sind hingegen Prognosen gefragt. Abwägen, Argumente gelten lassen, nicht alles absolut sehen – das sollten dann die Beteiligten beherzigen. Sonst geht es ihnen wie dem Wahrsager aus dem Witz mit (Feuerwehr-)Bart: „Kommst du mit?“ – „Nö, da war ich schon.“ Ein entspanntes, aufrichtiges und überlegtes Wochenende wünscht | Patrick Seiler

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