Speyer Vorbeugen und beraten hat Vorrang

Wenn Kinder aus einer Familie genommen werden müssen oder gar vorher zu Schaden kommen, beherrscht das die Schlagzeilen. Den weitaus größten und unspektakulären Teil der Arbeit des Jugendamts macht die Beratung und Unterstützung von Eltern und Familien aus. Insgesamt sind die „Fallzahlen“ im Rhein-Pfalz-Keis im vergangenen Jahr etwa gleichgeblieben, geht aus dem Kinderschutzbericht des Jugendamts hervor.

„Das Jugendamt hat nicht nur ein Wächteramt, sondern setzt in seiner Arbeit auf Kooperation und Prävention“, betont Rosemarie Patzelt, Kreisbeigeordnete für Jugend und Soziales. Helfend unterstützen, bevor das sprichwörtliche Kind in den Brunnen gefallen ist und eingreifen, wenn es nicht anders geht – das sei die Rangfolge, ergänzt Abteilungsleiter Thomas Baader. Die Anzahl der Fälle, bei denen das Jugendamt tatsächlich eingreifen müsse, etwa die Gefährdung von Kindern feststellen, das Familiengericht anrufen oder eine sogenannte Inobhutnahme vornehmen müsse, sei vergleichsweise gering, „aber arbeitsintensiv“, sagt Thomas Hauck, Leiter des Referats Erziehungshilfen, Jugendschutz und Allgemeiner Sozialdienst bei der Kreisverwaltung. Beim Allgemeinen Sozialdienst waren zum Stichtag 31. März 720 laufende Fälle im Rhein-Pfalz-Kreis verzeichnet. Dazu zählten ambulante Hilfen zur Erziehung durch Beistandschaften oder soziale Gruppenarbeit (197 Fälle), stationäre Hilfen in Tagesgruppen, Vollzeitpflege oder Heimerziehung (186) sowie eine Menge Beratungen und formlose Betreuungen. 18 sogenannte Inobhutnahmen weist der Kinderschutzbericht für das Jahr 2013 aus. In den Jahren zuvor waren es immer einige mehr, im Jahr 2008 sogar 56. Fünf Neuanträge auf Sorgerechtsentzug hat das Jugendamt im vergangenen Jahr beim Familiengericht gestellt, auch diese Zahl ist erheblich niedriger als fünf Jahre zuvor – da waren es 16. Vielleicht ein Zeichen dafür, dass die Netzwerke greifen, die aufgebaut worden sind: Kooperation mit dem Gesundheitsamt, das frühzeitig meldet, wenn etwa kleine Kinder nicht zu den U-Untersuchungen vorgestellt werden. Oder das Netzwerk Frühe Hilfen, das vom Willkommensbrief über Neugeborenenempfänge bis hin zu Hilfen durch sechs Familienhebammen und derzeit etwa 30 ehrenamtliche Familienpaten reicht. Ansprechpartner in den einzelnen Kreisgemeinden vor Ort zu haben, „das hat sich bewährt“, sagt Baader. Gleichbleibend hoch ist auch die Anzahl der Meldungen aus Kindereinrichtungen, Schulen oder der Nachbarschaft, wenn jemand das Kindeswohl gefährdet sieht. Auch wenn diese in der Qualität unterschiedlich seien, von der Meldung einer unordentlichen Wohnung bis zur brutalen Misshandlung, werde dem immer nachgegangen, sagt Hauck. Und manchmal ist der Leidensdruck auch bei den Betroffenen so hoch, dass sie sich selbst melden. Patzelt erzählt von einem Elfjährigen, der viele Kilometer aus einer Kreisgemeinde zum Jugendamt geradelt kam, weil er es in seiner Familie nicht mehr aushielt. „Den Jungen mussten wir erst mal mit Limo und einer Brezel stärken“, erzählt sie. (umi)

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